Wilhelmine Döserich

Offenburg
1930-1933
KPD

Wilhelmine Döserich (1886 – 1962)                                                       

Erste Stadträtin Offenburgs

Ein Leben für Politik und soziales Engagement

„Courage und viel Energie“, bescheinigt Inge Lieser ihrer Großmutter, Wilhelmine Döserich, geb. Krause. Mina Döserich wurde am 23. Juli 1886 in Homburg v. d. H. geboren und kam 1898 nach Offenburg. Die gelernte Büglerin gehörte 1919 zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei in Offenburg und war seit November 1926 erste weibliche Stadtverordnete im Bürgerausschuss. Vier Jahre später, im Dezember 1930, wurde sie vom Bürgerausschuss als erste Frau in den Offenburger Stadtrat gewählt.

Die KPD lag bei der vorangegangenen Gemeindewahl am 16. November 1930 mit ihrem Wahlergebnis von 13,26 % der Stimmen noch vor der SPD, die es nur auf 10,12 % brachte. In der Presse wurde die Radikalisierung der Gemeindeparlamente als Vertrauensschwund in die etablierten Parteien interpretiert. In diesem Wahlergebnis spiegle sich, so der Pforzheimer Anzeiger, "…unsere verworrene Zeit, die verzweifelt Rettung aus schwerer Not sucht.“

Der neue Stadtrat nahm im Januar 1931 seine Tätigkeit auf. Die Sitzungen fanden wöchentlich statt. Frau Döserich wurde Beirätin für Sozialrentnerfürsorge, war in der Kommission für Schulgeldbefreiung an den höheren Lehranstalten tätig und Stellvertreterin ihres Kollegen Richard Bätz in diversen Ausschüssen. Sein Antrag, einem kommunistischen Stadtrat einen Sitz im Fürsorgeausschuss zuzusprechen, wurde abgelehnt, ebenso der Antrag, dass Wilhelmine Döserich dem Ausschuss für Kindergärten zugeteilt werden solle, da sie als Frau doch deren Belange besser beurteilen könne.

In ihrer politischen Arbeit setzte die Stadträtin sich überwiegend für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der unteren Schichten ein. Sie selbst kannte die Schattenseite des Lebens, war sie doch tagtäglich dem harten Überlebenskampf einer Alleinerziehenden ausgesetzt. Ihr Mann, der Bahnarbeiter Andreas Döserich, war 1922 an einer Blutvergiftung gestorben und hatte sie mit vier unmündigen Kindern zurückgelassen. Bittgänge zum Fürsorgeamt wegen der banalsten Notwendigkeiten für die Kinder müssen demütigend und frustrierend gewesen sein. So verwundert es nicht, dass Mina Döserich im November 1931 bei der Aufführung des Theaterstückes „Der Leidensweg des Fürsorgeempfängers“ in der Michelhalle mitwirkte. Nach einer Parteiversammlung war das Stück, das die Missstände im Fürsorgewesen anprangerte, unter der Leitung ihres Parteikollegen Richard Bätz gezeigt worden. Anschließend kam es zum Eklat und zur Suspendierung Wilhelmine Döserichs von der Arbeit im Stadtrat. Ein Dienststrafverfahren wurde gegen sie eingeleitet mit der Begründung, Beamte des städtischen Fürsorge- und Jugendamtes - überwiegend die Fürsorgerin Frau Thiel - seien verächtlich gemacht und in der öffentlichen Meinung herabgesetzt worden. Das Verfahren wurde Ende 1932 eingestellt.

Eine Verbesserung ihrer Lebenssituation dürfte der Umzug im Oktober 1932 von der Hildastraße auf das ehemalige Kasernengelände, Weingartenstraße 34/ Bau 9, gebracht haben. Jahrelange Zwistigkeiten mit ihrem Vermieter waren vorausgegangen. Ständig beäugte er misstrauisch den modernen und emanzipierten Lebensstil von Mina Döserich und denunzierte sie schließlich bei den Behörden mit dem Vorwurf, sie vernachlässige ihre Kinder und sei abends oft außer Haus auf politischen Versammlungen. Die Anschuldigungen wurden jedoch von den eingeschalteten Behörden widerlegt: „Der Haushalt und die Kinder der Frau Döserich sind gut gehalten, man kann hier von keiner Verwahrlosung und Unsorgsamkeit der Mutter sprechen...“.

Anfang 1933 konnte Frau Döserich ihre Arbeit im Stadtrat wieder aufnehmen bis es zur Absetzung durch die Nazis kam. Vor der Reichtagswahl vom 5. März 1933 wurde sie mit weiteren 17 Parteigenossen für einige Tage in „Schutzhaft“ genommen. Am 10. März folgte eine zweite Verhaftung. Ohne Rücksicht auf ihre familiären Verhältnisse wurde sie zunächst ins Mannheimer Gefängnis und später in die Frauenhaftanstalt Bruchsal eingewiesen, wo sie bis zum 2. Oktober 1933 inhaftiert blieb. Die älteste Tochter Johanna versorgte in dieser Zeit ihre Geschwister.

Von 1933 bis 1945 erhielt Wilhelmine Döserich als ehemalige KPD-Stadträtin keine Unterstützung. Die Anerkennung als „Opfer des Nationalsozialismus“ wurde ihr nach dem Zweiten Weltkrieg zuteil. In den Nachkriegsjahren übernahm die engagierte Kommunistin sofort wieder soziale Verantwortung und arbeitete im Ausschuss für Flüchtlingsfragen mit. Sie starb am 6. Mai 1962 in Offenburg.

Initiativen, eine Straße nach Wilhelmine Döserich zu benennen, scheiterten bisher an ihrer Parteizugehörigkeit.


Nachweise:

Dieser Beitrag wurde von der Frauengeschichtswerkstatt Offenburg erarbeitet und zuerst veröffentlicht in Jansen-Degott, Ruth; Junk, Anne (Hrsg.): Markante Frauen. Sonderserie Offenburg. Offenburg 2006.

Foto: Privat


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