Stefie (Stefanie) Restle

Stuttgart
1947-1951
SPD

Stefie (Stefanie) Restle (1901-1978)

Sozialistische Politikerin, Gewerkschaftlerin und Pazifistin

„Noch will ich glauben, daß es möglich ist, die Welt von Grund auf zu ändern, nicht heute, nicht morgen, vielleicht im nächsten Jahrhundert oder später.“[1]

Stefie Restle sah im selbstbestimmten Arbeiten für Frieden und soziale Gerechtigkeit ihre Lebensaufgabe. Während der sozialen Wirren der Nachkriegszeit arbeitete die Sozialdemokratin von 1947-1951 als Stadträtin in Stuttgart. Als Landtagsabgeordnete verfolgte sie ab 1950 zuerst im Landtag Württemberg-Baden und dann von 1952-1968 im Landtag Baden-Württemberg ihre sozial-, gesellschafts- und kulturpolitischen Ziele.

Am 24. Dezember 1901 in Beuron geboren, verstand sich Stefanie Restle, die sich selbst immer Stefie nannte, vielleicht wirklich als Christkind, das die Welt verändern und verbessern wollte: Inmitten einer zehnköpfigen Geschwisterschar und als Tochter eines fürstlich-hohenzollernschen Forstgehilfen und späteren beamteten Revierförsters schien ihr Start für dieses Lebensziel nicht geeignet. Kurz nachdem sie 1907 in die Volksschule Beuron eingeschult worden war, starb die Mutter, deren Vornamen sie trug. Beim Beginn des Ersten Weltkriegs wurde sie noch vor der Beendigung der 8. Klasse in die Klosterschule in Tutzing am Starnberger See geschickt. Nach einem Jahr fehlte dem Vater das nötige Schuldgeld, aber auch Stefie hatte begonnen, an ihrer Eignung zum Klosterberuf zu zweifeln. Nach einem Haushaltslernjahr und einem halbjährigen Besuch einer kaufmännischen Fachschule begann sie ihre berufliche Tätigkeit als Kontoristin einer Holzgroßhandlung. Um eine andere Sprache zu lernen, verließ sie 1921 das gebeutelte Nachkriegsdeutschland und lebte in Norwegen, wo sie bis 1925 als Betreuerin in Familien und Betrieben arbeitete.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war Stefie Restle Verwaltungsangestellte beim Arbeitsamt Durlach, im badischen Innenministerium und bei der Badischen Landesanstalt für Arbeitsvermittlung, 1928 wurde sie an das Landesarbeitsamt Südwestdeutschland in Stuttgart abgeordnet. Kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sie, die 1931 in die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) eingetreten war, im März 1933 von den NS-Behörden entlassen. Ihre Beschwerde bleibt erfolglos. Nach fast zwei Jahren der Arbeitslosigkeit kann sie im jüdischen Kaufhaus Tietz in Stuttgart als Stenotypistin und dann als Buchhalterin im Autohaus Staiger arbeiten, wo sie sich für die Rechte der ausländischen Zwangsarbeiter einsetzt. Nach 1945 wird sie zur Vorsitzenden des Betriebsrates gewählt und war von 1949 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1966 Arbeitsvermittlerin beim Stuttgarter Arbeitsamt.

1946 trat Stefie Restle in die SPD ein und wurde als Gewerkschafterin aktiv. Sie engagierte sich als zweite Vorsitzende der SPD-Frauen im Land, war Mitglied der Stuttgarter SPD-Parteileitung und Hauptkassiererin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. 1947 wurde sie in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt, dem sie bis 1951 angehörte. Für die SPD errang Stefie Restle 1950 einen Sitz im Landtag von Württemberg-Baden. 1952/53 gehörte sie als eine von nur sechs Frauen der Verfassunggebenden Landesversammlung und damit in der Folge dem ersten Landtag von Baden-Württemberg an. Insgesamt drei weitere Male konnte sie bei Landtagswahlen für die SPD das Direktmandat in ihrem Stuttgarter Wahlkreis gewinnen. Sowohl in ihrer politischen Arbeit als auch privat setzte sich Stefie Restle für die Ärmsten der Armen in der Gesellschaft ein: Sie stritt für Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung, für Menschen mit Behinderung und für den sozialen Wohnungsbau. In der „Wirtschaftswunderzeit“ der Bundesrepublik kämpfte sie dafür, dass die für viele immer noch bestehenden Nachteile und Defizite – etwa bei den Frauenrechten – behoben werden. Bei den Landtagswahlen 1968 kandidierte Stefie Restle nicht mehr. Ein Jahr zuvor war sie mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt worden.

Am 8.10.1978 starb Stefie Restle – nicht, wie oft fälschlich behauptet wird, verarmt und allein, und keineswegs von früheren Weggefährtinnen und Parteifreunden beinahe vergessen. Stefie Restles Einschätzungen des Kriegsgeschehens in unserer Welt sind immer noch gültig: „Ich halte nichts von der Rüstung zur Aufrechterhaltung des Friedens. Sie führt bei den geltenden Spielregeln der Weltwirtschaft und bei der gefährlichen Überschneidung der Interessensphären mit schauerlicher Konsequenz zur Katastrophe.“[2]

Mascha Riepl-Schmidt

Literaturangaben

Wolfgang Schmierer: Stefanie (Stefie) Restle. Für soziale Gerechtigkeit und Völkerfrieden, in: Frauen im deutschen Südwesten, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg/Birgit Knorr, Rosemarie Wehling (Hg.), Stuttgart 1993, S. 230-35.

Ina Hochreuther: Stefie Restle, in: Frauen im Parlament. Südwestdeutsche Parlamentarierinnen von 1919 bis heute. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg/Landtag von Baden-Württemberg (Hg.), Stuttgart 2012, S. 229f.

Helga Grebing (Hg.): Lehrstücke in Solidarität, Briefe und Biographien deutscher Sozialisten 1945-1949, DVA Stuttgart 1983, S. 253-55 u. 365f.


Bild: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Sammlung Kilian


[1] Stefie Restle, Brief an den Solidaritäts-Fonds vom 18.4.1948, in: Helga Grebing (Hg.,), Lehrstücke in Solidarität, Briefe und Biographien deutscher Sozialisten 1945-1949, DVA Stuttgart 1983, S. 255.

[2] a.a.O., S. 255.


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