Kirsten Katz

Schorndorf
Seit 2019
Parteilos/Liste der GRÜNEN

Ich bin in die Politik gegangen, weil ich nicht wollte, dass mein Wissen, meine Lebens- und Berufserfahrung mit mir ins Grab geht. Ich wollte andere Menschen über Sachverhalte/Geschehnisse informieren, Frauen Mut machen, selbst anzutreten und das politische- und gesellschaftliche Leben nicht den Männern alleine zu überlassen.

Ich war vorher in vielen Ehrenämtern engagiert und habe mich auch ohne offizielles Amt immer wieder für die Bürgerschaft eingesetzt. Vor allem dann, wenn von Männern besetzte Gremien sich auf meine Anfragen hin nicht bewegt haben.

Ich bin in den Gemeinderat gekommen, weil die hiesige FDP mir keinen guten Listenplatz zusagen wollte, obwohl ich 5 Jahre zuvor als Listenfüller und Stimmenbringerin durchaus gewollt war. Meine inzwischen gestiegene Bekanntheit und mein Engagement im Tierschutz, als Ortschaftsrätin, als Leserbriefschreiberin, als Stadtführerin, als Kassiererin vom Heimatverein, als Qi-Gong-Kursleiterin in Vereinen, ehrenamtliche Mitarbeiterin im Kulturforum, usw. waren offenbar nicht genug für die männliche Sichtweise. Daraufhin bin ich ein Jahr vor der Kommunalwahl aus der Partei ausgetreten und als parteilose Frau bei den Grünen auf der Liste auf Platz 5 angetreten. Und wurde dort auch in den Gemeinderat gewählt.

Unterstützung gab es nur vom Verein Politik mit Frauen e.V. durch das Mentoring und Mut-Machen anderer Kommunalpolitikerinnen und den Leser*innen meiner Leserbriefe. 

Die Arbeit im Gemeinderat fängt jetzt erst an. Ich sitze im Technischen Ausschuss und im Aufsichtsrat der Stadtwerke, im Beirat der VHS, im Preisgericht für den Barbara-Künkelin-Preis und im Verkehrsbeirat. In der vorigen Wahlperiode war ich bereits Ortschaftsrätin in Schorndorf-Oberberken. Anfangs wurde ich belächelt und manchmal auch lächerlich gemacht. Später habe ich Respekt und Wertschätzung für meine hartnäckige und sachorientierte Arbeit im Gremium erhalten.

Meine Themen waren: Sitzbänke wieder herstellen, ersetzen oder neu beantragen. Einführung der Fundtierkostenerstattung, Hundetütenspender nebst Abfalleimern in der Kommune nach 5 Jahren Kampf durchgesetzt,  sichere Straßenübergänge im Dorf beeinflusst,  Geschwindigkeitsmessungen an kritischen Stellen beantragt, überwachsende Hecken zurückschneiden lassen, Straßenmarkierungen erneuern lassen, die Gräben an den Feldern regelmäßig putzen lassen, Schulfeste begleitet, Diskussionsveranstaltungen zu Windkraft besucht, für bessere Busverbindung gekämpft, Leserbriefe zu strittigen Themen verfasst.

Unterstützung gab es von engstehenden Freundinnen, Nachbarn und Feministinnen. Ansonsten war ich häufig alleine auf mich gestellt.

Wir haben dank vieler Veranstaltungen zum Thema 100-Jahre-Frauenwahlrecht 2019 den Anteil der Frauen im Gemeinderat von Schorndorf auf über 40% gesteigert, das sind 13 Frauen und 19 Männer. In der vorigen Wahlperiode lag der Frauenanteil bei ca. 24%. Inzwischen ist eine Nachrückerin in den Gemeinderat eingetreten, so dass wir stolze 43% Frauenanteil, mit absoluten Zahlen ausgedrückt, 14 von insgesamt 32 Gemeinderät*innen Frauen, würdigen können.

Im Ortschaftsrat Haubersbronn ist der Frauenanteil 2019 bei 13 %, 2 Frauen und 12 Männer! Vorher lag er bei 7%, 1 Frau und 13 Männer! Im  Ortschaftsrat Oberberken war der Frauenanteil fast paritätisch und fiel leider bei der Wahl 2019 auf 20% zurück.

Als Frau wurde ich teilweise im alten Ortschaftsrat Oberberken gleich behandelt, teilweise empfand ich eine deutliche Diskreditierung.

Zur Ortschaftsratswahl in Haubersbronn 2019 trat ich als Zweitletzte der Liste an und wurde von den Wähler*innen nach vorne in das Gremium gewählt. Ich erlebe die Arbeit dort als schwierig; durch die hohe männliche Besetzung des Ortschaftsrates ist für mich eine tradierte männliche Sicht-und Verfahrensweise an vielen Stellen spür- und wahrnehmbar. Entsprechende Widerstände erschweren eine offene und wertschätzende Diskussion – besonders bei kontroversen Themen.

Frauen sind deshalb nicht im Gemeinderat und Ortschaftsrat, weil sie sich hoffnungslos unterschätzen! Männer reden Frauen ein, dass Politik nichts für sie sei. Männer agieren mit Machtsymbolen, nutzen ihre Netzwerke. Wenn es darum geht, dass eine Frau auf Augenhöhe auftritt, wird sie nicht gefördert, sondern oft genug mit unsportlichen Methoden aus der Bahn geworfen. Außerdem bleibt die restliche Arbeit der Frau zuhause liegen, solange sie in den Sitzungen sind. Arbeitgeber verweigern die Freigabe für derartige Ehrenämter (weiß ich aus persönlichen Schilderungen). Kinder müssen derweil untergebracht werden, usw. Die wenigsten Ehemänner unterstützen politische Arbeit von Frauen. Politische Arbeit wird damit zur Mehrbelastung, die auch deshalb von Frauen gemieden wird.

Mein Privatleben hat erhebliche Einschnitte erfahren. Ich musste Hobbys zurücksetzen, um die vielen Termine wahrnehmen zu können und auch um eine gute Vorbereitung für die Sitzungen zu gewährleisten, weil viel Zeit für Vorlagen-Studium nötig ist. Bürgeranfragen gar nicht erwähnt und viele Gespräche, um Netzwerke zu bilden. Fraktions- und Ausschusssitzungen sprengen fast das zeitlich Mögliche.

Ich lasse meinen Hauptberuf als Freiberuflerin allmählich auslaufen, um Zeit für die Ehrenämter zu haben. Kommunalpolitik richtig gemacht, erlaubt fast keine Zeit für anderes berufliches Engagement.

Mir ist es wichtig, für die Bürgerschaft da zu sein, nicht einem Parteibuch zu dienen, eine Fraktion zufrieden zu stellen oder um Männern zu gefallen. Ich will etwas bewegen und mich vor allem zum Wohle der Bürgerinnen einsetzen.


Foto: Privat


Hinweis
Die Website www.ohne-unterschied.de ist eine Sammlung von Biografien und Erfahrungsberichten von Kommunalpolitikerinnen von 1919 bis heute. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge sind von deren Autorinnen aus einer persönlichen Sicht und Betroffenheit geschrieben. Dadurch entsteht ein vielfältiges Bild des Weges von Frauen in die Kommunalpolitik und ihrer Situation in den Gremien. Diese Meinungsbeiträge sollen Anstoß zu Diskussionen sein und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg wider.


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