Katherine Lutz

Ulm
1919-1921
SPD

Die Hebamme Katharine Lutz, die am 11. Juni 1919 für die SPD in den Ulmer Gemeinderat gewählt wurde, stammt aus vollkommen anderen gesellschaftlichen Verhältnissen wie ihre beiden Kolleginnen im Rat, Emilie Wechßler und Agnes Schultheiß. Die fast gleichaltrige Emilie (Emmy) Wechßler (geb. 1883) war als junge, kinderlose Witwe eines Fabrikanten finanziell unabhängig und weltläufig. Die um einiges ältere, ebenfalls kinderlose Agnes Schultheiß (geb. 1873) hatte als Universitätsabgängerin einen ganz anderen sozialen und geistigen Hintergrund. Auch sie war dank ihres besser gestellten Mannes finanzieller Sorgen weitgehend enthoben.

Katherine Lutz wurde am 29. 9. 1882 in Cannstatt als Katherine Barbara Fischer geboren.[1] Ihre Eltern waren evangelisch, der Vater Karl Friedrich Fischer war als Wagenmeister in Ulm – wohl beim Militär – beschäftigt. Die Mutter, Katherina geb. Huck, war Hausfrau. Weitere Geschwister sind unbekannt. Die Tochter Katherine arbeitete in Ulm als Dienstmädchen und „Nähterin“. Im November 1900 brachte sie noch nicht volljährig in Cannstatt eine uneheliche Tochter Luise zur Welt. Ein zweites uneheliches Kind wurde im August 1903 tot geboren. Im November 1906 heiratete sie in Ulm den aus Obermarchtal stammenden katholischen Schutzmann August Lutz[2], der später noch verschiedene andere Berufe ausübte, wie Magaziner, Betriebsassistent, Telegraphenarbeiter und Post- bzw. Oberpostschaffner. Ob er der Vater der beiden unehelich geborenen Kinder war, ist nicht sicher, auf jeden Fall legitimierte er die 1900 geborene Tochter Luise. Seine Militärzeit diente er beim Infanterieregiment 120 ab.

Die Familie Lutz ist zwischen 1906 und 1921 mehrfach umgezogen, so war sie ab 1. Oktober 1906 am Weinhofberg 6/I bei Johann Heinzmann (Kunstmüller) in Ulm, im Jahr darauf ab 1. Juli in der Bodengasse 10/1 bei Ströhle gemeldet, ab 1. April 1908 wohnte sie in Neu-Ulm, ab 1909 schließlich in Söflingen, zunächst in der Schlossergasse, zuletzt in der Judengasse. In Ulm kamen 1910 und 1913 noch zwei weitere Kinder zur Welt, von denen aber nur die 1910 geborene Tochter Auguste überlebte.[3] Der Sohn Friedrich verstarb schon ein Jahr nach der Geburt.

Seit wann Katherine Lutz den Beruf der Hebamme ausübte, ist ebenso wenig klar wie ihre Beziehungen zur SPD. Es ist aus den vorhandenen Quellen nicht zu eruieren, ob sie selbst Parteimitglied war oder über ihren Mann der Partei nahe stand, ab wann sie politisch in Erscheinung trat oder welche Rolle sie überhaupt in der Ulmer sozialdemokratischen Bewegung vor und während des Krieges spielte. Auf der Wahlvorschlagsliste der SPD für die Gemeinderatswahl 1919 stand ihr Name von allen aufgestellten Frauen am weitesten vorne, nämlich an sechster Stelle von 34.[4] Erst auf Platz 16, 21 und 30 folgen weitere Kandidatinnen. Bei der Wahl erreichte sie mit 5 359 Stimmen ein achtbares Ergebnis, was für den Einzug ins Gemeindeparlament reichte, allerdings – entsprechend der neuen Wahlordnung – nur für drei Jahre.[5] Im Gemeinderat wurde sie am 30. Juni 1919 zum ordentlichen Mitglied in der Polizeiabteilung und zum stellvertretenden Mitglied in der landwirtschaftlichen und der kulturellen Abteilung gewählt. Als gewählte Gemeinderätin saß Frau Lutz automatisch in der Ortsarmenbehörde, wo sie am 21.7.1919 zum stellvertretenden Mitglied der Armendeputation gewählt wurde. Im Gemeinderat und den Ausschüssen selbst scheint sie nicht sehr aktiv gewesen zu sein, die Protokolle verzeichnen nur wenige Wortbeiträge, auf die zudem vom Vorsitzenden bzw. den anderen Ratsmitgliedern nicht näher eingegangen wurde.[6] Es gab auch, laut Protokoll, keine direkte, wie auch immer geartete Kommunikation zwischen den drei gewählten Frauen während der Sitzungen.

Eine Zusammenstellung aller Sitzungen, an denen sie beteiligt war (immerhin über 100), zeigt, dass das Amt einer Gemeinderätin sehr zeitaufwendig war. Insgesamt gesehen hat sie relativ wenige Sitzungen versäumt. Gründe für ihr Fehlen dürften zum einen Krankheit (vgl. November 1919), berufliche Inanspruchnahme bzw. die Umzugsvorbereitungen (vgl. Sommer 1921) gewesen sein. Die 24 Mark Aufwandsentschädigung, die sie pro Sitzungstag erhalten hat, waren für die Familie sicher eine wichtige Einnahmequelle in dieser von Mangel und Elend gekennzeichneten Zeit. Immerhin fand der Vorsitzende des Gemeinderates, OB Schwammberger, freundliche Worte zu ihrem Abschied.

Jedenfalls verzog die Familie Lutz im September 1921 nach Vaihingen auf den Fildern.[7] Über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt, außer dass August und Katherine Lutz laut Eintrag im Familienregister 1939 bzw. 1941 aus der Kirche austraten und sich in der Folge als „gottgläubig“ bezeichneten. 1953 zogen sie noch einmal um, und zwar nach Stuttgart in die Seyfferstraße 22. Dort ist Katherine Lutz am 13. April 1962 gestorben.[8]

 


 

[1] Alle Angaben aus Standesamt Ulm, Familienregister 51/ 20 und Standesamt Ulm-Söflingen Familienregister 11/112. Vgl. auch Adressbücher Ulm/ Neu-Ulm 1912-1914-1919-1921 und Wohnungsanmeldungen und -abmeldungen in StA Ulm B 122/03 Nr. 11.

[2]Auch er stammt aus bescheidenen Verhältnissen: sein Vater Anton war Tagelöhner, die Mutter, Crescentia geb. Sommer, ebenfalls Hausfrau.

[3] Auguste heiratete 1941 in Tuttlingen den Instrumentenmacher Albrecht Johannes Mieh (Eintrag im Söflinger Familienregister 11/112).

[4] StA Ulm G5/79, 1919, Amtsblatt für Stadt und Bezirk Ulm Nr. 53, 6. Mai 1919. Die meisten Frauen stellte die DDP auf. Hier waren 8 von 44 Kandidaten Frauen.

[5] StA Ulm G5/79, 1919, Amtsblatt für Stadt und Bezirk Ulm Nr. 57, 15. Mai 1919. Die Wähler konnten 1919 kumulieren, aber nicht panaschieren. Ihr Fraktionskollege Friedrich Herrlinger erhielt mit 6942 die meisten Stimmen bei der SPD. Die Hälfte der 44 Sitze wurde nach der Hälfte der Legislaturperiode neu gewählt, d. h. die 22 Ratsmitglieder mit den wenigsten Stimmen mussten nach drei Jahren ausscheiden und sich einer erneuten Wahl stellen.

[6] Vgl. die Protokolle StA Ulm, B 005/5 Nr. 251-260.

[7] Die Familienregister der 1942 nach Stuttgart eingemeindeten Gemeinde befinden sich noch im Bezirksamt Vaihingen. Die Melderegister sind im Stadtarchiv Stuttgart (Auskunft Stadtarchiv Stuttgart 20.1.2010).

[8] Auskunft Stadtarchiv Stuttgart 20.1.2010.


Nachweise:

Dieser Beitrag erschien zuerst im Internetauftritt „Ulmer Geschichte im Netz" des Ulmer Arbeitskreises „Schule und Archiv“, https://stadtarchiv.ulm.de/ulmer-geschichte-im-netz/verwaltung-verfassung-gesellschaft/ulm-1918-1933/neue-wahl-und-gemeindeordnungen-der-weimarer-republik.


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