Hulda Goes

Ludwigsburg
1946-1957
CDU

Ludwigsburg wählte am 28. April 1946 ihren Gemeinderat. Bei den Wahlen wurde eine einzige Frau zur Vertretung der Gemeinde gewählt: Hulda Goes von der Christlich Demokratischen Partei.[1] Obwohl es insgesamt sieben weibliche Kandidatinnen gab, was wenig im Vergleich zu den 140 männliche Kandidaten war[2], gelang es keiner anderen in den Gemeinderat gewählt zu werden. Das ist vor allem bei Christine Evert, einer Stadtbekannten Wohlfahrtspflegerin, die bei der SPD auf dem Listenplatz eins stand, verwunderlich.[3]

Lydia Sofie Hulda Goes, Hulda genannt, wurde in Widdern, bei Heilbronn am 2. Dezember 1889 mit dem Familiennamen Roth geboren und war demnach, am Tag der Wahl, 56 Jahre alt. Sie hat am 11.06.1918 den Ludwigsburger Buchhändler Walter Goes geheiratet und mit ihm drei Kinder, die beiden Söhne Paul Goes und Günter Goes und die Tochter Waltraut Goes großgezogen.[4] Obwohl sie Lehrerin war, wurde sie in der Wählerliste und auch bei den Auflistungen im Gemeinderat, beziehungsweise der Stadtverwaltung als Hausfrau gelistet.[5] Wahrscheinlich lag das daran, dass sie zur Zeit der Wahl nicht als Lehrerin arbeitete. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass sich die Partei dadurch eine höhere Wählerquote versprochen hat. Immerhin war sie von der CDU aufgelistet worden und deren Familienpolitik zielte auf die Hausfrauenrolle der Frau ab. Hulda Goes war keinesfalls nur Hausfrau. Sowohl in ihren zahlreichen Nachrufen nach ihrem Tod am 8. Juni 1957, als auch im Zeitungsartikel vom 2. Dezember 1989 anlässlich ihres hundertsten Geburtstags, wurde ihr Engagement in der Frauenarbeit und zahlreichen weiteren karitativen Vereinigungen, beispielsweise der Kirche, Schulen, Flüchtlingsarbeit, als Frauenarbeitsschullehrerin, aber auch als Mutter gelobt.[6] Sie setzte sich im Gemeinderat vor allem für den Wohnungsbau und die (Mädchen-)Bildung ein.[7] Hulda Goes wurde am 4. Januar 1952 das Bundesverdienstkreuz am Bande für besondere Leistung im Sozialen Engagement überreicht.[8]

Am 23. Mai fand die erste Gemeinderatssitzung des neu gewählten Ludwigsburger Gemeinderats statt.[9] Die Gemeinderäte wurden verpflichtet und in Abteilungen und Ausschüsse gewählt. Hulda Goes gehörte damit dem Sozialausschuss, dem Wohnungsausschuss und dem Ortsschulrat an.[10] Am 12. Juni 1946 wurde Christine Evert in den Gemeinderat einberufen, wurde aber bei der nächsten Wahl im Januar 1947 nicht wiedergewählt.[11]

In der darauffolgenden Gemeinderatssitzung vom 18. Juli stellte Hulda Goes, gemeinsam mit Christine Evert einen Antrag zur Ferienbetreuung für Schulkinder, welcher bewilligt wurde.[12] Dabei handelte es sich um die Ferienbetreuung, über welche am 2. November 1946 in der Stuttgarter Zeitung ein Artikel erschien. Der Artikel handelte von dem, sich neu gegründeten Verein ‚Arbeitsgemeinschaft Ludwigsburger Frauen,‘ in welchem sich auch Frau Goes engagierte, welcher die besagte Ferienbetreuung organisiert hatte. Es wurde beschrieben, dass sich ein Parteiübergreifender Verein mit Zielsetzung zur Verbesserung der sozialen Umstände gebildet hat, dass die Mitglieder trotz verschiedener Ansichten gut zusammenarbeiten und sogar schon eine Ferienbetreuung organisieren konnten. „Die Männer mögen sich ein Beispiel nehmen!“[13] hieß es als Schlusssatz, „und das Wohl der Bevölkerung in den Vordergrund ihrer politischen Debatten stellen“[14]. Dieser Frauenverband veranstaltete auch überparteiliche Veranstaltungen, an welchen sich die weiblichen Kandidatinnen vorstellen konnten, so beispielsweise geschehen am 18. Januar 1951.[15]

In den folgenden Monaten ist auffallend, dass Frau Goes des Öfteren bei Gemeinderatssitzungen gefehlt hat, meistens mit der Entschuldigung wegen Krankheit, ab dem Frühjahr 1947 war sie aber wieder regelmäßig anwesend.[16] Trotz Krankheit setzte sie sich weiterhin ein, schrieb beispielsweise einen schriftlichen Antrag an den Bürgermeister, mit der Bitte ‚Flüchtlingsfrauen‘ als Haushaltshilfen arbeiten zu lassen, was ebenfalls bewilligt wurde.[17] Hulda Goes wurde am 7. Dezember 1947 in der Gemeinderatswahl wiedergewählt, diesmal galt das Mandat für sechs Jahre.

Im April 1948 brachte Hulda Goes für die Arbeitergemeinschaft Ludwigsburger Frauen einen Antrag vor den Gemeinderat, in welchem sie die Überprüfung der Milchberechtigung für sechsjährige Kinder erbat.[18] Der Antrag wurde an das Landwirtschaftsministerium weitergeleitet, aber zeigt deutlich, wie die Mitarbeit in der Arbeitergemeinschaft von Frau Goes einen Vorteil für die politische Arbeit brachte, da Hulda Goes die Anliegen der Bürger, vornehmlich Frauen direkt mitbekam und sie auch direkt dem Gemeinderat vorlegen konnte. Damit war sie ein wichtiges Bindeglied, zwischen weiblicher Bevölkerung und Stadtverwaltung, welches ein männliches Mitglied in diesem Bereich nicht erbringen konnte. Auch in Sachen Verbesserung der Bildung half die Mitgliedschaft von Hulda Goes im Gemeinderat weiter, beispielsweise sprach sie sich als Sachkundige für einen Antrag auf eine weitere Lehrstelle für die örtliche Oberschule aus, welche daraufhin angenommen wurde.[19] In den folgenden Jahren beschäftigte den Gemeinderat der Wohnungsmangel sehr. Frau Goes brachte sich in diesem Bereich ebenfalls aktiv ein, beispielsweise am 20. Oktober und 1. Dezember 1949, als sie sich zum einen positiv über den Wohnungsbaufortschritt aussprach, aber gleichzeitig neue Möglichkeiten durch den Umbau von Unteroffizierswohnungen, oder die Schaffung von einfachen Wohnungen zum Übergang ansprach.[20] Dieser Vorschlag wurde vom Gemeinderat abgelehnt, da der Bürgermeister der Meinung war, dass eine Übergangslösung nicht Ziel sein dürfte, da diese schwer wieder Rückgängig gemacht werden könnte. Festzuhalten ist damit auch, dass Frau Goes somit nicht immer von Seiten des Bürgermeisters und der anderen Gemeinderäte unterstützt wurde, sondern auch mal, wie in diesem Fall, auf Abneigung stoß. 1950 engagierte sich Hulda Goes in den Gemeinderatssitzungen größten Teils für den Fortschritt des Wohnungsbaus. Im Januar war sie mitverantwortlich für die Schließung eines Vertrags mit der Kornwestheimer Baugenossenschaft und überprüfte den Fortschritt im September desselben Jahres.[21] Im November 1950 sorgte Goes dafür, dass die ersten Wohnungen, die bezogen werden konnten, an diejenigen Familien zugeteilt wurden, deren bisheriger Wohnsitz am „engsten und unwürdigsten“ war.[22]

Schon im Jahr 1948 bekam der Gemeinderat weiblichen Zuwachs von Charlotte Willmann, welche durch einen freigewordenen Platz nachrückte. Darauf folgte 1952 Elisabeth Briel, beide Frauen blieben bis 1953 im Gemeinderat. Ab 1953, als auch Hulda Goes wiedergewählt wurde, bereicherte Waltraut Zips den Gemeinderat. Frau Zips war Drogistin und Heimatsvertriebene aus Schlesien, wo sie von 1919 bis 1938 in ihrem Betrieb im Verband Weiblicher Angestellte Mitglied und von 1930 bis 1938 Vorstand war, sie war seit 1947 in Ludwigsburg bei der Vertriebenenarbeit tätig und bis 1975 Gemeinderätin als Mitglied der CDU.[23] 1968 wurde ihr ebenfalls das Verdienstkreuz am Bande verliehen. Ab 1956 wurde auch Alice Wiener in den Gemeinderat gewählt. Das bedeutet, dass in der Zeit von 1946 bis 1957 niemals mehr als drei Frauen gleichzeitig im Gemeinderat waren. Während dieser Zeit setzten sich die Frauen immer für Themen ein, die man als ‚Frauentypisch‘ bezeichnen könnte. Sie wurden überwiegend in den Oberschulrat, Sozialausschuss und Wohnungsausschuss gewählt. Ab 1951 war Frau Willmann zusätzlich im Ausschuss für Kultur- und Verkehr,[24] Hulda Goes und Waltraut Zips wurden nach den Wahlen von 1956 zusätzlich zum Sozial-, Bildungs-, und Schulausschuss auch in den Verwaltungsausschuss gewählt.[25] Trotzdem beschränkten sich die weiblichen Gemeinderätinnen hauptsächlich auf Themen in den bereits bekannten Bereichen (Bildung, Wohnung). Gemeinderätin Dr. Charlotte Willmann wünschte beispielsweise am 16. Januar 1951 weiterhin Engagement für die Heimatsvertriebenen und den Wohnungsbau.[26] Am 20. Dezember 1951 reichte Hulda Goes einen Antrag im Sinne der Arbeitsgemeinschaft Ludwigsburger Frauen zur Abhaltung eines „bunten Abends“ am 5. Februar 1952 in der Stadthalle ein, welcher genehmigt wurde, dieser trug zur Unterstützung der Schülerbüchereien bei.[27] Dieser Hergang stellt wieder ein Beispiel der Zusammenarbeit von Verein und Stadtrat über das Bindeglied Hulda Goes dar. Dieses Bild blieb bis zum Tod von Hulda Goes erhalten, wobei die Gemeinderatsprotokolle im Verlauf der Jahre immer mehr verschiedene Themen beinhalteten, was daran liegt, dass die Kriegsfolgen nicht mehr allein die Aufgaben der Verwaltung der Stadt darstellten. Außerdem haben sich mehrere Ausschüsse gebildet, die ihre eigenen Sitzungen führten, welche entweder nicht dokumentiert wurden, oder nicht aufgehoben wurden.

Am 9.1.1951 erschien in der Ludwigsburger Kreiszeitung ein Artikel zur Erklärung des Wahlrechts, des Wahlverfahrens und des Systems des Panaschierens und Kumulierens. Dass der Hinweis kurz vor der Gemeinderatswahl erschienen ist, weist darauf hin, dass das Wahlsystem nicht jedem Wähler geläufig war. Bezogen auf die weibliche Bevölkerung bestätigt das die Bundesweiten Umfrageergebnisse vom März 1949, welche aussagen, dass etwa 50 Prozent der befragten Frauen desinteressiert an Politik seien und das politische Geschehen eher passiv betrachteten.[28] Obwohl in der Nachkriegszeit ein Frauenüberschuss herrschte, bildete sich dieser nicht im Wahlverhalten der Bundesrepublik aus, weder auf Kommunalebene, noch im Landtag. [29]

Am 27. Juni 1957 begann der Bürgermeister die Gemeinderatssitzung mit einer Rede, es „[…] [spricht] der Gemeinderat der am 8. Juni 1957 verstorbenen Stadträtin Frau Hulda Goes[30], […] in herzlichen Worten für ihr mehr als 10-Jähriges Wirken im Gemeinderat, Verwaltungsausschuss, im Sozialausschuss und im Wohnungsausschuss Dank und Anerkennung aus. Ihr grösstes Anliegen sei die Fürsorge für die sozial schwachen und Hilfsbedürftigen gewesen. Ihre Arbeit sei von einer tiefen christlichen Überzeugung durchdrungen gewesen. Ihrem Wesen sei es eigen gewesen, auch in schweren Lagen auf ihre Umgebung Heiterkeit und Fröhlichkeit auszustrahlen. Der Oberbürgermeister schliesst seine Ausführungen mit den Worten, Stadtverwaltung und Gemeinderat würden der Verstorbenen ein dankbares Gedenken bewahren.“[31] Diese Rede bildet eine gute Zusammenfassung der in der Zeitung erschienenen Nachrufe vom Kirchenbeirat, der Ludwigsburger Kreiszeitung selbst und der Stadtverwaltung[32]. Nach ihrem Tod wurde Hulda Goes in den eben benannten Nachrufen von der Ludwigsburger Kreiszeitung, dem Gemeinderat und ihrer Partei sehr positiv dargestellt, sie wurde immer als sehr sozial engagierte Frau dargestellt, die sich für die Hilfsbedürftigen und sozial Schwachen ‚aufopferte‘. Obwohl sie während ihrer Zeit als Stadträtin in der Berichterstattung der Ludwigsburger Kreiszeitung kaum Erwähnung fand, wurde in beiden Artikel über ihren Tod und über ihre Trauerfeier erwähnt, wie sehr sie die Stadt mit 25 Ämtern bereichert habe.[33] Weiter heißt es, sei sie von „allen Parteien“ und im Namen „aller Kirchen“[34] geschätzt und verabschiedet worden. 50 Jahre nach ihrem Tod wurde eine Straße im Wohngebiet Hartenecker Höhe nach ihr benannt.

 
[1] Vgl. Homann, Ludwigsburgerinnen, S. 141.
[2] Vgl. ebd., S. 141.
[3] Vgl. ebd., S. 141.
[4] Vgl. Stadtarchiv Ludwigsburg, Familienregister 57/504.
[5] Vgl. Stadtarchiv Ludwigsburg, Stadträte C-G L3/3, 1041.
[6] Vgl. Ludwigsburger Kreiszeitung (LKZ) vom 11.06.1957, 2.12.1989.
[7] Wie sie sich eingebracht hat wird im Folgenden an Beispielen gezeigt.
[9] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 23.05.1946.
[10] Vgl. ebd.
[11] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 18.07.1946.
[12] Vgl. ebd.
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Vgl. Ludwigsburger Kreiszeitung vom 17.01.1951.
[16] Vgl. Vermerke in Gemeinderatsprotokollen von 26.08.1946, 05.09.1946, 22.10.1946, 03.10.1946, 1.11.1946, 28.11.1946 und 16.1.1947.
[17] Vgl. Gemeinderatsprotokoll vom 12.12.1946.
[18] Vgl. Gemeinderatsprotokoll vom 29.04.1948.
[19] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 28.07.1949.
[20] Vgl. Gemeinderatsprotokolle 27.10. und 01.12.1949.
[21] Vgl. Gemeinderatsprotokolle 20.01. und 28.09.1950.
[22] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 9.11.1950.
[23] Vgl. Stadtarchiv Ludwigsburg Akte L3/3, Aktenzeichen 1 041, Stadträte Z.
[24] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 08.02.1951.
[25] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 29.11.1956.
[26] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 16.01.1951.
[27] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 20.12.1951.
[28] Vgl. Stiehr, Karin: Aspekte der gesellschaftlichen und politischen Situation von Frauen in den 50er Jahren. In: Determann, Barbara / Hammer, Ulrike / Kiesel, Doron (Hgg.): Verdeckte Überlieferungen. Weiblichkeitsbilder zwischen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Fünfziger Jahren. (= Arnoldshainer Texte Bd. 68.) Frankfurt am Main, 1991. S. 119 – 134. Hier S.121.
[29] Vgl. ebd., S. 121.
[30] Es ist auffallend, dass Hulda Goes in den Gemeinderatsprotokollen sowohl als Stadträtin, als auch mit „Frau“ Goes angeredet wurde, im Vergleich dazu wurden die männlichen Stadträte immer nur mit ihrem Nachnamen erwähnt.
[31] Vgl. Gemeinderatsprotokoll 27.06.1957.
[32] Vgl. Ludwigsburger Kreiszeitung 11.06., 12.06., 13.06.1957.
[33] Vgl. Ludwigsburger Kreiszeitung 11.06. und 13.06.1957.
[34] Vgl. ebd. (beide Artikel).

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