Gertraude Ils

Freiburg
1975-1984
SPD

Gertraude Ils war von 1975 bis 1984 Mitglied im Freiburger Gemeinderat und älteste Freiburger Bürgerin.

Ils wurde am 16.04.1909 in Koblenz geboren und wuchs mit zwei weiteren Geschwistern in einem bürgerlichen Haushalt auf. 1924 zog die Familie nach Hannover um. Dort besuchte Ils ein Realgymnasium mit den Pflichtsprachen Französisch, Englisch und Latein. Bereits in ihrer Kinder- und Jugendzeit entwickelte Ils eine Theater- und Opernleidenschaft, welche schließlich zum Studium der Germanistik (mit Schwerpunkt Theaterwissenschaft), Geschichte und Kunstgeschichte in Heidelberg, München, Paris und Köln führte. Ihr Studium schloss sie mit einer Promotion über die Blütezeit des Kindertheaters im 18. Jahrhundert bei Carl Nießen im Jahre 1933 ab. Von 1933 bis 1945 arbeitete sie beim Deutschen Bühnenverein und war zuständig für die Organisation und Betreuung der reisenden Theatergruppen und Puppenspieler. 1939 heiratete sie Hans Ils. Dieser war aufgrund seines Eintrittes 1931 in die Sozialistische Arbeiterschaft Deutschlands (SAPD) im Jahr 1934 durch die Gestapo verhaftet und zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Der promovierte Volkswirtschaftler war zudem von 1965 bis 1969 Bundestagsabgeordneter der SPD. Nach mehreren Umzügen in der Nachkriegszeit zog die Familie 1958 mit ihrer 1944 geborenen Tochter und ihrem 1950 geborenen Sohn schließlich nach Bad Iburg am Teutoburger Wald. Ils ging in dieser Zeit keiner Berufstätigkeit nach, absolvierte allerdings 1959 mit 50 Jahren die Führerscheinprüfung, welches sie in ihren veröffentlichten Erinnerungen als einschneidendes Erlebnis einstufte. In Bad Iburg engagierte Ils sich in einem Arbeitskreis politisch interessierter Frauen und arbeitete schließlich ab 1962 nach einer spezifischen Ausbildung in der Evangelischen Ehe- und Jugendberatungsstelle Osnabrück. Nachdem Hans Ils 1971 pensioniert wurde, zog das Ehepaar nach Freiburg im Breisgau. Dort starb Ils mit 107 Jahren am 18.05.2016.

Anlass für Ils‘ politisches Engagement sei der Schock über die deutsche Wiederbewaffnung gewesen, infolgedessen sie 1953 in die SPD eingetreten sei. Weiter hätten sie die Diskussionen um den Paragraphen 218 und die studentischen Unruhen im Jahr 1968 beschäftigt und geprägt. Dies führte schließlich zu ihrer Aufstellung und Wahl 1968 in den Bad Iburger Gemeinderat. Auch nach dem Umzug nach Freiburg trat sie mit ihrem Mann in den SPD-Ortsverein ein und engagierte sich kulturell. 1975 kandidierte sie schließlich mit 66 Jahren auch für den Freiburger Gemeinderat und wurde gewählt. Auf dem Listenplatz 21 erreichte Ils den zwölften Platz von 17 gewählten SPD-Gemeinderäten. 1980 kandidierte sie auf dem Listenplatz 10 und wurde mit dem drittstärksten Stimmenanteil von 14 gewählten SPD-Gemeinderäten gewählt. Für beide Wahlen gab sie dabei auf dem Stimmzettel als Berufsangabe „Hausfrau“ an. Die als „Juso-Oma“[1] verspottete Ils war für die SPD im Kultur-, Bau-, Schul-, und Wohnungsausschuss vertreten. Vor allem die Etablierung des Freiburger Kinder- und Jugendtheaters im Marienbad und die Einrichtung des Kommunalen Kinos sowie des Radio Dreyecklands, des Feministischen Archivs und Archivs für Soziale Bewegungen sowie des Arbeitskreises alternative Kultur wird vor allem Ils‘ Einsatz zugeschrieben. Zudem gehörte sie dem überfraktionellen Kulturquintett mit Emilie Meyer (Die GRÜNEN), Ursula Kopf (CDU), Edith Goldschagg (FDP) und Ingrid Baas (Freie Wähler) an. Neben Kulturfragen kämpfte sie gegen den Ausbau der B31-Ost mit zahlreichen Zeitungsartikeln und Schreiben an Gemeinderat, Bundesverkehrsminister, Landesinnenminister und verschiedenen Bundestagsmitglieder und stellte sich auch gegen ihre eigene Fraktion. Wie engagiert sie sich für eine ökologischere Lösung einsetzte, zeigt auch die Aussage von Hans Ils, der auf die Frage, wie es sich mit einer Kommunalpolitikerin als Ehefrau lebe, sagte: „Bei uns gibt es jeden Mittag B 31 mit Pellkartoffeln.“[2] 1985 verzichtete Ils aus Altersgründen auf eine erneute Kandidatur. Allerdings war sie weiterhin als beratendes Mitglied des gemeinderätlichen Kulturausschusses als sogenannte „Sachverständige Einwohnerin“ tätig.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Ils im Jahr 2009 richtete die Freiburger SPD den „Gertraude-Ils-Preis“ für Projekte der kulturellen Bildung ein. Initiativen im Jahr 2009 bezüglich der Verleihung der Ehrenbürgerinnenwürde an Ils oder im Jahr 2016 bezüglich der Umbenennung der Julius-Brecht-Straße in Gertraude-Ils-Straße blieben erfolgslos.


[1] Ils, Jahrgang, S. 180.

[2] Ils, Jahrgang, S. 185.


Nachweise:

StaAF K1/131

Ils, Gertraude: Jahrgang 1909 – Erinnerungen, in: Tröndle-Weintritt, Isolde/ Herkert, Petra (Hg.), „Nun gehen Sie hin und heiraten Sie!“. Die Töchter der Alma mater im 20. Jahrhundert, Freiburg 1997, S. 95-193.

Littmann, Julia: Gertraude Ils, Freiburgs älteste Bürgerin ist gestorben, in: Badische Zeitung 18.05.2016, https://www.badische-zeitung.de/freiburg/gertraude-ils-freiburgs-aelteste-buergerin-ist-gestorben--122207974.html [16.06.2019].

Littmann, Julia: Freiburgs älteste Bürgerin: Altstadträtin Gertraude Ils ist 107 Jahre alt, in: Badische Zeitung 20.04.2016, https://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburgs-aelteste-buergerin-altstadtraetin-gertraude-ils-ist-107-jahre-alt--120966642.html [16.06.2019].

Fraktion Unabhängige Listen: Offener Brief an den Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon. Ehrenbürgerinnenwürde für Frau Dr. Gertraude Ils, https://www.unabhaengige-listen-freiburg.de/fraktion/presse/dr._gertraude_ils [16.06.2019].

Freiburg trauert um Gertraude Ils. Hochangesehene Altstadträtin mit 107 Jahren verstorben, https://www.freiburg.de/pb/956616.html [16.06.2019].

Foto: Fotographie Albert Josef Schmidt


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