Elisabeth Landerer

Tübingen
1919-1933
Württembergische Bürgerpartei

Anna Elisabeth Landerer wird am 31.12.1876 in Tübingen geboren. Ihr Vater, der Sanitätsarzt Dr. Rudolf Landerer, leitete dort von 1910 bis 1915 das Spital, ihre Mutter Anna Landerer geb. Glitsch war Hausfrau.

Mit Thekla Waitz zählt Elisabeth Landerer zu den ersten beiden Frauen, die nach Einführung des Frauenwahlrechts die Kommunalpolitik in Tübingen mitgestalten. Am 8. Mai 1919 wird sie im Alter von 43 Jahren für die Württembergische Bürgerpartei in den Tübinger Gemeinderat gewählt. Auch bei den folgenden Kommunalwahlen tritt sie erfolgreich an: 1925 und 1931 erlangt sie (nun für die Deutsch-Nationale Volkspartei) ein politisches Mandat.

Als nichtverheiratete Frau – anstelle einer Berufsangabe war 1919 auf dem Stimmzettel "Fräulein" vermerkt – war sie eine Ausnahmeerscheinung in der männlich dominierten politischen Landschaft Tübingens.

Im Tübinger Gemeinderat setzte sie sich vor allem für soziale und karitative Belange ein. So ist sie ab 1919 im Ausschuss für Stiftungssachen aktiv, in der Ortsarmendeputation sowie als Stellvertreterin im Verwaltungsausschuss der Mädchenbeschäftigungsanstalt, im Schulrat der Frauenarbeitsschule und später in den Ortsschulräten der Evangelischen Schule und Kleinkinderschule.

Neben diesen ‚sozialen Zuständigkeiten‘ ragt Elisabeth Landerers Mitgliedschaft im Bauausschuss heraus, den sie aber mit Ende ihrer ersten Amtszeit verlässt. Dennoch setzt sie sich weiter für Wohnungsfragen ein – etwa für die Bereitstellung von städtischem Baugelände an Bausparer "zum Zweck der Erstellung ganz kleiner Einfamilienhäuser".

Ein wichtiger kommunalpolitischer Schwerpunkt Elisabeth Landerers lag beim Einsatz für notleidende BürgerInnen:
1919 regte sie an, von dem von der Stadt erwarteten Walliser Wein "eine gewisse Menge zu erwerben und an alte und kränkliche Leute abzugeben". Im Jahr 1920 machte sie sich für eine Erhöhung der Weißmehlration für Kranke stark oder für die Bestellung von Heringen in großen Mengen und Abgabe zu kleinen Preisen auf dem Tübinger Markt. Darüber hinaus engagierte sich Elisabeth Landerer für die Bekämpfung der steigenden Arbeitslosigkeit und die Einrichtung eines Jugendamts.
Von Anfang an am Herzen lag ihr die Errichtung eines Freibades in der Stadt: Bereits 1919 beantragte sie die rasche Einrichtung eines Freibads für die Tübinger Bevölkerung – und die stundenweise Öffnung dieses Bads für Frauen. An den Umkleiden des neuen Freibads sollten Vorhänge angebracht werden, damit auch Frauen, die sich die Gebühr für die neuen Wechselkabinen nicht leisten konnten, beim Freibad-Besuch geschützt waren. 1931 plädierte Elisabeth Landerer dafür, auf dem Gelände des Freibads Sonnenbäder-Zellen für Menschenanzubieten "die ... sich eine Reise an die See und ins Gebirge nicht leisten können".

Nicht zuletzt war es Elisabeth Landerer wichtig, dass die Stadt gegenüber ihren BürgerInnen eine Vorbildfunktion einnimmt. So klagt sie etwa 1931 anlässlich einer Debatte über Ruhestörungen in der Innenstadt durch die von der Gemeinde als Dienstfahrzeuge angeschafften lauten Zündapp-Fahrräder:
"Die Stadt hätte seinerzeit als gutes Beispiel vorangehen müssen und weniger lärmende Motorräder anschaffen sollen."

Während der Wirtschaftskrise 1922 fordert Elisabeth Landerer in einem vertraulichen Schreiben den Oberbürgermeister auf, das wenig ausgelastete städtische Krankenhaus zu schließen und dessen Aufgaben der Universitätsklinik zu übertragen; mit dem gesparten Geld könnte die Fürsorge für arme Bürger ausgebaut werden. 1923 kommt es tatsächlich zu einem entsprechenden Vertrag zwischen Stadt und Universität und nach Ablauf eines Probejahres wird das städtische Krankenhaus geschlossen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird der Tübinger Gemeinderat 1933 aufgrund des Gleichschaltungsgesetzes neu formiert – und obwohl Elisabeth Landerer bis 1937 gewählt worden war, wird sie als Frau nicht mehr in das neue Gremium ernannt. Sie behält nur noch ihren Sitz im Ortsschulrat der Tübinger Frauenarbeitsschule. Damit endet ihr aktives politisches Engagement.

 

Im März 1936 zieht Elisabeth Landerer nach Königsfeld (Schwarzwald) und lebt in der dortigen pietistischen Brüdergemeine. Am 18. März 1950 stirbt sie im Alter von 73 Jahren und wird in Königsfeld beigesetzt.


Nachweise:

Antje Zacharias, Das städtische Krankenhaus, in: Udo Rauch (Hg.):Vom Spital zum Bürgerheim, Tübingen 1999, S. 27-33
Hannah Haumann: Elisabeth Landerer, erste Tübinger Gemeinderätin., Praktikumsbericht Stadtarchiv Tübingen, unv. Ms., Tübingen 1999

Foto: Stadtarchiv Tübingen


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