Charlotte Kussbach
Mühlacker
1962-1964
Autor/in: Marlis Lippik
Ein einfaches Leben hatte Charlotte Kussbach sicher nicht. Als Kriegerwitwe musste sie drei kleine Kinder durchbringen, engagierte sich aber trotzdem – wenn auch nur kurzzeitig – als erste Frau im Lienzinger Gemeinderat und war damit Anfang der 1960er Jahre erst die zweite Gemeinderätin des heutigen Enzkreises.
Als fünftes von sechs Kindern wurde Charlotte Herbst am 1. Oktober 1907 in Groß-Zschachwitz bei Dresden geboren. Ihr in der SPD engagierter Vater war zunächst Zigarrenmacher und schließlich stellvertretender Bürgermeister ihres Heimatortes, aber die Ehe der Eltern zerbrach Anfang der 1920er Jahre. Charlotte absolvierte nach abgeschlossener Volksschule von 1922 bis 1925 mit guten Noten eine Lehre als Handlungsgehilfin in Dohna und war kurze Zeit im Dresdner Opernchor beschäftigt. 1927/28 hielt sie sich für ein Haushaltsjahr in der Schweiz auf.
Danach arbeitete die junge Frau in Dresden als Büroangestellte und Stenotypistin in den verschiedensten Firmen und Behörden, bekam zwar gute Zeugnisse, konnte aber wegen der wirtschaftlich schlechten Lage meist nur ein paar Monate oder maximal ein Jahr auf einer Stelle bleiben.
Die 1930 geschlossene Ehe mit dem Vertreter Charles Petit, mit dem zusammen sie in anthroposophischen Kreisen verkehrte, wurde 1936 wegen seiner Untreue geschieden.
Daraufhin ließ sich die resolute, junge Frau von ihrer damaligen Dienststelle bei der Deutschen Arbeitsfront nach Stuttgart versetzen und lernte dort ihren zweiten Mann, den aus Wien stammenden Maschinenbauer Anton Kussbach, kennen, den sie kurz vor Kriegsbeginn 1939 heiratete. Als er 1942 an der Ostfront fiel, blieb Charlotte Kussbach, die inzwischen nach Oberriexingen gezogen war, mit drei kleinen Kindern unversorgt zurück und musste nach dem Krieg um eine kleine Witwenrente kämpfen.
Da sie bereits 1934 eine Ausbildung zur Rot-Kreuz-Helferin absolviert hatte, fand sie 1950 vorübergehend eine Anstellung als Heimleiterin in einem Stuttgarter Kinderheim, die sie aber wegen ihrer eigenen kleinen Kinder wieder kündigte und sich dann in Häfnerhaslach niederließ, wo sie den Verkauf von Eiern, Mehl und Fisch organisierte.
Aus den Erfahrungen heraus, die sie bei der Durchsetzung ihrer nur unzureichenden Kriegerwitwenrente gemacht hatte, engagierte sich Charlotte Kussbach im Verband der Kriegsopfer und Hinterbliebenen (VdK) und half vor allem anderen Frauen und Spätaussiedlern, ihre Rentenansprüche anzumelden. Man ermunterte sie deshalb in Lienzingen, wo sie seit 1953 wohnte, sich als Kandidatin für den Gemeinderat zu bewerben.
Charlotte Kussbach wurde auf Anhieb im November 1962 gewählt und verdrängte damit den bisherigen männlichen Gemeinderat. Sie war damit erst die zweite Frau im gesamten heutigen Enzkreis (nach Elsi Ascher-Schütz) und die erste Frau in einem der heutigen Mühlacker Stadtteile, die eine solche Position errang.
Allerdings konnte Charlotte Kussbach nur an insgesamt 15 Sitzungen des Lienzinger Gemeinderates teilnehmen. Dabei wurde unter anderem der Bau einer Ölleitung auf Lienzinger Gemarkung, die Erweiterung der Kanalisation und die Erschließung neuer Baugebiete verhandelt.
Seit Anfang 1964 arbeitete C. Kussbach als Pflegerin einer alten Dame bei Bad Säckingen und schied schon deshalb im November 1964 wegen ihrer langen Ortsabwesenheit aus dem Gemeinderat wieder aus.
Von Zeitzeugen wird Charlotte Kussbach als starke Frau beschrieben, die sich auch für die Interessen von anderen einsetzte und dabei so entschieden auftrat, wie man es zu dieser Zeit sonst nur von Männern gewohnt war. Streitbar wie sie war, hatte sie sich beispielsweise erfolgreich gegen die eigenmächtige und unangemeldete Wegnahme eines Pachtgartens durch den teilweise selbstherrlich agierenden Bürgermeister Allmendinger gewehrt und sich damit sicher kaum Freunde im Gemeinderat gemacht.
Von 1966 bis 1973 war Charlotte Kussbach im Krankenhaus Mühlacker beschäftigt und zog dann nach Maulbronn zu ihrer jüngeren Tochter. Am 18. Januar 1992 starb sie bei ihrer älteren Tochter in Schwetzingen.
Nachweise:
Foto: Privat
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