Agnes Schultheiß

Ulm
1919-1933
Zentrum

Agnes Schultheiß hat das katholische Leben in Ulm nachhaltig in karitativer Weise als Vorsitzende und Gründerin zahlreicher Wohltätigkeits- und Frauenvereine sowie als Zentrumspolitikerin auf allen politischen Ebenen geprägt. Ihre Verdienste für die Stadt Ulm werden durch eine im Dezember 2002 aufgebauten Stele in der Bahnhofsstraße gewürdigt. Außerdem erinnert der „Agnes-Schultheiß-Platz“ vor dem Ulmer Weststadthaus an sie.

Agnes Schultheiß entstammte der wohlhabenden, liberalen und katholischen Kaufmannsfamilie Landmann aus Danzig. Sie wurde am 09.10.1873 als elfte von insgesamt zwölf Kindern des Kaufmannes Ferdinand Matthias Landmann und seiner Ehefrau Franziska geboren. Nach ihrer Ausbildung am Danziger Lehrerinnenseminar, war sie zunächst Lehrerin bei den Ursulinerinnen in Breslau, anschließend arbeitete sie neun Jahre an der von ihrer Schwester geleiteten „Höheren katholischen Mädchenschule“ in Danzig.

Von 1902 bis 1906 vertiefte sie ihre Ausbildung zunächst durch ein Philologiestudium in Oxford, anschließend wechselte sie nach Bonn, um weiter Sprach- und Literaturwissenschaften zu studieren. Ihr Studium schloss sie mit dem Staatsexamen ab.

Infolge ihrer Heirat 1906 mit dem verwitweten Postbeamten Franz Schultheiß aus Tübingen, gab sie ihren Beruf als Lehrerin allerdings auf. Agnes Schultheiß bezeichnete Franz Schultheiß als einen „feinsinnigen und ihr geistes- und herzensverwandten“[1] Mann. Ulm wurde ab 1907 der Lebensmittelpunkt von Agnes und Franz Schultheiß. Beide teilten die Leidenschaft für Kunst, Literatur und Musik. Franz Schultheiß war unter anderem mit dem Maler Gerhard Fugel (1863-1939) bekannt und unterstützte seine Frau hinsichtlich ihrer wohltätigen und politischen Arbeit.

Agnes Schultheiß kam während ihrer Zeit in Oxford mit der britischen Frauenbewegung und der Forderung nach einem Frauenwahlrecht in Berührung. Für dieses setzte sie sich auch in Ulm ein und rief schließlich –  nach der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 – die Frauen dazu auf, ihr Wahlrecht zu gebrauchen: „Das Recht hat die Pflicht geboren. Nehmt sie wahr. Das Gebot der Stunde heißt: Politisch handeln durch Aufklärung in der Presse, durch Einfluss auf die Männer, auf die zurückgekehrten Kriegsteilnehmer und vor allem durch die Beteiligung an der Wahl.“[2]

Schultheiß trat selbst der Zentrumspartei Ende 1918 bei und kandidierte bei den Ulmer Gemeinderatswahlen im Mai 1919. Ihre Kandidatur blieb zunächst erfolglos, durch Nachrücken wurde sie schließlich Ende 1919 Stadträtin. Damit war sie neben Emmy Wechßler (1883-1969, DDP) und Katherine Lutz (1882-1962, SPD) eine der ersten drei Ulmer Stadträtinnen. Schultheiß gehörte dem Ulmer Gemeinderat bis 1928 an.

Ihr politischer Einsatz blieb dabei nicht auf kommunaler Ebene beschränkt, sondern umfasste auch die Landes- und Reichsebene. Sie kandidierte – erfolglos – für die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung (19.01.1919), die Wahl zur Württembergischen Verfassungsgebenden Landesversammlung (12.01.1919) und für die Reichstagswahlen in den Jahren 1924 und 1928. Daneben war sie seit 1919 Mitglied des Landesvorstandes der Zentrumspartei Württemberg und Hohenzollern und seit 1920 Beisitzerin im Reichsparteiausschuss.

Neben ihrer politischen Tätigkeit war sie Mitbegründerin und Vorsitzende einer Vielzahl von katholischen Vereinen. 1912 wurde Schultheiß Vorsitzende des vom Garnisonspfarrer Franz Xaver Effinger und Kaplan Heinrich Sambeth im Jahr 1908 – nach Stuttgarter Vorbild – gegründeten „Rettungsverein zum Guten Hirten“, der bis heute noch existiert. Dieser setzte sich anfangs vor allem für die Betreuung von jungen schwangeren Mädchen und Frauen ein, die verstoßen worden waren, später erweiterte sich das Betreuungsangebot um ein Kinderheim, eine Krippe und ein Kinderhort. In der Zeit von 1908 bis 1933 wurden dabei insgesamt 4.500 Erwachsene und 1.875 Kinder durch den „Rettungsverein zum Guten Hirten“ versorgt. Ihr Amt als Vorsitzende übte Schultheiß bis 1940 aus. Schultheiß‘ ausdauernder Einsatz für den Verein vor allem hinsichtlich der Finanzierung, Vergrößerung und Erweiterung wurde 1933 mit dem Golden Päpstlichen Ehrenkreuz „Pro Ecclesia et Pontifice“ ausgezeichnet. Darüber hinaus gelang es ihr den Verein während der NS-Zeit weiter zu betreiben.

Schultheiß war auch Mitbegründerin des 1914 gegründeten Katholischen Mädchenschutzvereins Ulm und des 1917 gegründeten Zweigvereins des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Ulm, zuvor hatte ihre Schwester 1906 den entsprechenden Verein in Danzig gegründet. Des Weiteren war sie Mitglied des Vorstandes des Katholischen Frauenbundes Württemberg. Nachdem die Arbeit im Ulmer Frauenbund 1933 eingestellt werden musste, gehörte Schultheiß nach dem Zweiten Weltkrieg erneut zu den Neugründerinnen und war bis zum Jahr 1950 Vorsitzende. Von 1932 bis 1951 war sie darüber hinaus im Verein „Päpstliches Werk für Priesterberufe“ aktiv, während des Zweiten Weltkriegs war ihre Wohnung Anlaufstelle für Priestersoldaten und Theologiestudenten.

Nach schwerer Krankheit starb Agnes Schultheiß mit 86 Jahren am 10.12.1959 in Ulm-Wiblingen. Sie wurde auf dem Hauptfriedhof in Ulm begraben.


[1] zitiert nach Schulz, Ulmer FrauenWege, S. 11.

[2] Wahlrede im „Saalbau“ (Bahnhofstraße), Bericht in der Schwäbischen Volkszeitung vom 19.01.1919, zitiert nach Schulz, Ulmer FrauenWege, S. 13.


Nachweise:

Danube Women Stories, Stadtführung. Orte von Frauen in Ulm, https://de.women.danube-stories.eu/ulm/ [19.09.2019].

Hagen, August: Gestalten aus dem Schwäbischen Katholizismus Bd. 4, Stuttgart 1963.

Laubacher, Anton: Gelebte Cariats. Das Werk der Caritas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart 1982.

Raberg, Frank: Schultheiß, Agnes, geb. Landmann, in: Biographisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm (2010), S. 395f.

Schühly, Verena: Hochaktuell und 100 Jahre alt, in: Südwestpresse (08.03.2010), https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/hochaktuell-und-100-jahre-alt-17977617.html [19.09.2019].

Schulz, Ilse: Agnes Schultheiß, in: Ökumenischer Arbeitskreis Frauen (Hg.), Ulmer FrauenWege im 20. Jahrhundert. 12 Lebensbilder, Ulm 2004, S. 10-15.

Specker, Hans Eugen: Die Ulmer Bürgerschaft auf dem Weg zur Demokratie. Zum 600. Jahrestag des Großen Schwörbriefs. Begleitband zur Ausstellung (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Reihe Dokumentation 10), Ulm 1997.

Stadt Ulm, Frauenbüro: Frauen in der Ulmer Stadtgeschichte, 3. Auflage 11/2013.

Ulmer Arbeitskreis „Schule und Archiv“, Ulmer Geschichte im Netz: Foto und Lebenslauf von Agnes Schultheiß, https://stadtarchiv.ulm.de/ulmer-geschichte-im-netz/verwaltung-verfassung-gesellschaft/ulm-1918-1933/neue-wahl-und-gemeindeordnungen-der-weimarer-republik [25.09.2019].

 

Postkarte: Frauenbüro Ulm, Postkartenaktion „Frauen bewegen Ulm“ zu 100 Jahre Wahlrecht für Frauen, https://www.ulm.de/aktuelle-meldungen/obb/obb-fb/postkartenaktion-100-jahre.

Foto: Stadtarchiv Ulm


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