Thekla Waitz
Tübingen
1919-1922
DDP
Autor/in: Beate Dörr
Thekla Waitz wird am 20.11.1862 als Thekla Mathilde Sylvine Ernestine Puchelt in Bruchsal geboren. In einem Ostseeurlaub lernt die junge Frau den Marburger Professor der Astronomie und Physik, Karl Waitz (1851-1911) kennen und beide heiraten. Nachdem Karl Waitz einen Ruf an die Universität Tübingen erhält, zieht das Paar 1886 nach Tübingen. Die Ehe bleibt kinderlos, wenige Jahre nach dem frühen Tod ihres Mannes adoptiert Thekla Waitz 1917 einen 11jährigen Jungen.
Wie andere Professorengattinnen engagiert sich Thekla Waitz in zahlreichen Tübinger Vereinen. 1903 ist sie die Initiatorin für die Gründung der Tübinger Volksbibliothek – der ersten Tübinger Bildungseinrichtung für Erwachsene, die Frauen zulässt und sich auch an Handwerker, Weingärtner und Arbeiter richtet, für die es in Tübingen bislang kaum Angebote gibt. 1907 wird die Volksbibliothek ins Vereinsregister eingetragen und Thekla Waitz zur ersten Vorsitzenden gewählt – elf Jahre vor Einführung des Wahlrechts für Frauen!
Zu Beginn des 1. Weltkriegs ist Thekla Waitz Mitgründerin des Nationalen Frauendienstes in Tübingen. Diese Organisation 'managt' in den Kriegsjahren die sog. "Heimatfront“ durch Lebensmittelverteilung, Familienfürsorge und Arbeitsvermittlung für Frauen, deren Ehepartner im Kriegseinsatz ist und als Verdiener ausfällt. Thekla Waitz engagiert sich etwa für die Einrichtung einer Städtischen Milchversorgungsstelle und einer Volksküche in Tübingen.
1918 fordert der Nationale Frauendienst angesichts des großen Einsatzes von Frauen im Krieg die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Frauen – immerhin!
Nachdem im November 1918 das allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlrecht (auch) für Frauen eingeführt wird, informiert der Nationale Frauendienst mit einem Wahlausschuss die zukünftigen Wählerinnen über politische Themen. Thekla Waitz schließt sich zusammen mit anderen Mitgliedern des Nationalen Frauendienstes der Deutschen Demokratischen Partei DDP an, die in Tübingen eine eigene Frauengruppe gegründet hat.
Bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen in Württemberg am 18. Mai 1919 treten in Tübingen 11 Frauen als Kandidatinnen an. Neben Elisabeth Landerer ist Thekla Waitz die erste Frau, die in den Tübinger Gemeinderat gewählt wird. Drei Jahre engagiert sie sich dort im Lebensmittelausschuss, der Krankenkommission und der Ortsarmendeputation. Sie fordert bessere Ausbildungen für Mädchen und bringt Probleme von Frauenvereinen, etwa des Hausfrauenbundes und des Hausfrauenvereins, in den Gemeinderat ein.
Bei der Kommunalwahl 1922 kandidiert die inzwischen 60jährige Thekla Waitz erneut, steht aber nur noch auf Platz 8 der DDP-Liste und erhält kein Mandat mehr. Sie bleibt aber weiter in Tübingen für die Belange von Frauen und Frauenbildung aktiv.
Anlässlich ihres 90. Geburtstags würdigt im November 1952 in der Tübinger Chronik ein „Dankgruß“ die Verdienste von Thekla Waitz:
„(…) Ob Thekla Waitz nun bei ‚billiger Wohnungsbeschaffung einst berufstätiger Frauen’ mithalf oder sich sofort nach Ausbruch des 1. Weltkrieges für die Gründung des ‚Nationalen Frauendienstes’ einsetzte und leitend in ihm arbeitete, oder ob sie für eine bessere ‚Frauenbildung’ kämpfte, immer war sie mit ganzer Seele und einem mitreißenden Temperament bei der Sache. Ganz besonders gilt das auch für den im 1. Weltkrieg gegründeten ‚Bund der Hausfrauen’. Lag ihr doch die Not besonders am Herzen, die für Familie und Staat durch ungenügende hauswirtschaftliche Vorbereitung des Mädchens und der Frau entsteht. Kein Wunder, daß sie als zweite Vorsitzende der damals zu Hunderten zählenden Organisation einen großen Einfluß gewann und auch allem Kulturellen und Sozialen ihren eigenen Stempel aufzudrücken vermochte. (…)“
Kurz darauf stirbt Thekla Waitz am 16. Dezember 1952 im Alter von 90 Jahren im Tübinger Tropengenesungsheim.
Nachweise:
“Von der Volksbibliothek“, in: Tübinger Chronik, 24.12.1924
„Dankgruß an Thekla Waitz“, in: Schwäb. Tagblatt, 22.11.1952
Löschner, Tina: „Es ist unsere heilige Pflicht“, Nationaler Frauendienst in Tübingen während des 1. Weltkrieges, Tübingen 1997
Vollmer, Heike: „Mit ganzer Seele und mitreißendem Temperament bei der Sache“ – Thekla Waitz, eine vielseitig engagierte Frau in Tübingen, Praktikumsbericht, Stadtarchiv Tübingen, unv. Ms., Tübingen 2000
Nestle, Albrecht: „Zufluchtsstätte für die bildungsbedürftigen Elemente“ Zur Geschichte der Stadtbücherei Tübingen, Tübingen 2001
Foto: Stadtarchiv Tübingen
Zur Übersicht
Kommentar verfassen
Kommentare zu Thekla Waitz
Bisher wurden keine Kommentare verfasst.