Paula Planck

Nürtingen
1919-1925
1946-1948
SPD

Paula Mohr wurde am 27.3.1879 in Stuttgart geboren. Sie war die älteste von vier Schwestern. Als einzige der Schwestern besuchte sie das Katharinenstift und arbeitete danach im neuen Telefonamt in Stuttgart. Sie heiratete 1906 den Bezirksnotar Hermann Planck, der 1913 mit kaum 44 Jahren in Schwenningen starb. Nach dem Tod ihres Mannes zog Paula Planck mit ihren Söhnen Ernst und Otto nach Nürtingen. Sie lebte als Alleinerziehende von einer niedrigen Witwenrente und versuchte diese durch Nähen aufzubessern. Immer stärker verlegte sie sich auf das Schreiben für verschiedene Zeitungen, so bereits 1922 für die Württembergische Zeitung. Trotz dieser finanziellen Situation konnte sie ihren Söhnen ein Studium ermöglichen.

Wie aus ihren Aufzeichnungen hervorgeht, hatte ihr Mann Hermann Planck, ein Pazifist und dem Sozialismus nahe stehend, großen Einfluss auf Paula Planck. Beide lehnten Krieg und Gewalt ab und so war es konsequent, dass sie 1922 den Vorsitz der Nürtinger Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft übernahm.

Am 28. Dezember 1918 trat sie in die SPD Nürtingen ein und wurde im Mai 1919 als erste Frau in den Nürtinger Gemeinderat gewählt, dessen Mitglied sie bis Dezember 1925 blieb. Darüber hinaus war sie Mitglied des Armendeputations- bzw. Ortsfürsorgeausschusses, des Ortschulrats sowie des Frauenortsschulrats, der Wohnungskommission und Verbraucherausschusses für städtische Lebensmittelversorgung. So unbeirrbar wie Paula Planck zu ihrer sozialen und gesellschaftlichen Haltung stand, so entschieden bekannte sie sich auch zu ihrer Einstellung zur Rolle der Frau und Mutter in der Gesellschaft. Klar bezog sie Stellung zur Abtreibung und zur Moral.

"Es ist ein großes Haus, in dem wir wohnen, das viele Familien aufnahm, alte und junge, kinderlose, mit wenig Kindern die andern und kinderreiche (...) Die Frau im Untergeschoss ist hochschwanger, ein stilles Weib, das neben der Hausarbeit noch täglich an der Maschine steht, um den Mann beim Broterwerb zu unterstützen. Zwei Kinder gehen dem Verdienst nach, ein 18jähriger Sohn und eine 15jährige Tochter. Die anderen sechs sind minderjährig. Der Mann quält die Frau mit Eifersucht, schlägt sie, dass sie den Hausnachbarn ihren armen Leib voll blauer Flecken zeigt. (...) Das Weib geht fort in ihre Heimat. Nach einigen Tagen kommt sie, um ihre Bettlade zu holen, solange der Mann im Geschäft ist. (...) In der Zwischenzeit kommen die Kinder aus der Schule und hängen sich an sie. Also lässt sie sich überreden. Nun sucht der Mann nach einem Mittel, die Frau fortzuschaffen. Er zeigt sie beim Gericht an, sie hätte das Kind abtreiben wollen. Und nun geschieht das Unbegreifliche. Unser Staat mutet seinen Beamten zu, ihre Nase in die intimsten Vorgänge zu stecken. Landjäger fragen die Frau aus, die Hausfrauen werden vernommen, akademisch gebildete Beamte sondieren, warum bei Frau H. während der Schwangerschaft Blut abgegangen ist. Der Grund ist ein ganz natürlicher. Einmal hatte sie sich überschafft. Das andere Mal hatte der Mann sie so misshandelt, dass sich die gequälte Natur gerächt hat. Ist es nicht ein Wahnsinn, dass der Scharfsinn der Beamtenschaft angewendet wird, damit solch ein unglückliches Geschöpf sicher ins Leben gebracht wird - aus Moral? Wäre es nicht moralischer dafür zu sorgen, dass jeder einmal geborene Mensch ein eigenes Bett hat, dass die Schlafräume so beschaffen sind, dass kleine Kinder nicht Vorgänge mitansehen, die ihr Gemüt und ihre Jugend vergiften?"

Für sie war es wichtig, sich über Parteigrenzen hinweg sich ein eigenes Urteil zu bilden. Die Förderung der Frauenbildung war Paula Planck ein besonderes Anliegen, deshalb ließ sie sich im 1928 gegründeten Nürtinger Hausfrauenverein zur Zweiten Vorsitzenden wählen.

„Das Hakenkreuz ... weht über der ehemals roten Hochburg Nürtingen.“ So kommentiert ein Artikel vom 11. März 1933 im Nürtinger Tagblatt die neuen Verhältnisse. Dutzende von Parteimitgliedern der Kommunistischen Partei und der SPD werden im Schutzhaftlager Heuberg gefangen gehalten. Obwohl Paula Planck bereits am 13.12.1929 aus der SPD ausgetreten war, wurde auch sie im Rahmen der ersten großen Verhaftungswellen am 11. April 1933 von den Nationalsozialisten für 2 Monate in „Schutzhaft“ genommen. Ihre unerschrockenen Äußerungen zum Nationalsozialismus hatten sie zur politischen Gegnerin gemacht. Sie kam in das Konzentrationslager für Frauen in Württemberg, nach Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd. Danach stand sie bis zum Ende des 2. Weltkrieges 1945 in Nürtingen unter Beobachtung. Daher gibt es bis zum Kriegsende keine schriftlichen Aufzeichnungen von ihr. Und trotz ihrer eigenen schwierigen Situation setzte sie sich in diesen Jahren für die Bürgerinnen und Bürger Nürtingens ein. Wenn sie von Notsituationen erfuhr, in denen sich Frauen und Familien befanden, half sie, z. B. indem sie eine Frau während ihrer Erkrankung an Scharlach versorgte.

Paula Planck hatte in dieser Zeit einige Schicksalsschläge zu verkraften. Wenige Monate vor ihrer Inhaftierung hatte sich ihr jüngster Sohn Otto im Alter von 23 Jahren in einer tiefen Depression das Leben genommen. Ihr älterer Sohn Ernst stand zu dieser Zeit vor der zweiten juristischen Staatsprüfung. Da er in der kommunistischen Partei war, wurde er nicht zur Prüfung zugelassen, am 19. März 1933 verhaftet und in das Konzentrationslager auf dem Heuberg eingewiesen. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Gehilfe in einer Anwaltskanzlei. 1943 wurde auch er zum Militär eingezogen. Im Krieg geriet er in Gefangenschaft und Ende Juni 1945 aus dem Gefangenlager entlassen.

Noch in den letzten Wochen des Krieges waren von zurückweichenden deutschen Truppen die Neckarbrücken in Nürtingen, Neckarhausen und Zizishausen gesprengt worden. Etliche Häuser in der Stadt waren durch Bomben zerstört. Am 22. April 1945 rückten amerikanische Truppen in die Stadt ein. Die Zwangsbewirtschaftung der Nürtinger Einwohner (1939 gut 10.500) mit Verbrauchsgütern ging unverändert weiter. Ihre Versorgung wurde 1945 durch die Zuweisung von ca. 6.400 Menschen – Flüchtlingen, Ausländer und Evakuierten – außerordentlich erschwert. So stieg die Einwohnerzahl mit einem Schlag um 61 %! Hunger, Unterernährung, Wohnungsnot, Brennstoffmangel bestimmten vorrangig die Aufgaben des Gemeinderates. Insbesondere Flüchtlinge waren auf die öffentliche Fürsorge angewiesen.

Am 27. Januar 1946 wurde erneut Paula Planck mit 2.520 Stimmen für die SPD, die sie mit anderen SPDlern wiedergegründet hatte, in den Gemeinderat gewählt. Sie war wiederum die einzige Frau in diesem Gremium.

Paula Planck wurde in den „Ortsausschuss für Flüchtlingsangelegenheiten“ berufen. Am 20.9. 1946 wählte man sie zudem auf drei Jahre in eine neue Abteilung des Gemeinderates, den fünfköpfigen Fürsorgeausschuss. Ab dem 27.2.1947 arbeitete sie in der Kommission zur „Feststellung von leeren Räumen“ in der Stadt mit. Von 11.6.1947 bis 28.5.1951 gehörte sie dem Ortsschulrat an. Dieser Ortsschulrat befasste sich mit der Notlage der Schulen. Fehlende Räume und fehlende Bänke machten in allen Nürtinger Schularten Schichtunterricht nötig. Volks- und Mittelschulen hatten 1947 in 42 Klassen 1.930 Schüler, darunter 575 Flüchtlingskinder. Die Protokolle des Gemeinderates und des Ortschulrates zeigen die Probleme auf, mit denen sich der Gemeinderat auseinandersetzte und Beschlüsse fasste, um die Not der Menschen zu lindern:

Massenspeisungen in der Stadthalle
Lebensmittelkarten- und Bezugsscheinregelungen
Sicherung des öffentlichen Nahverkehrs
Krankenhaus- und Gesundheitsversorgung
Brennmaterialversorgung der 6.000 Familien
Einbau von Notwohnungen in das Barackenlager auf den Mühlwiesen

Die brennendsten Probleme waren damals die Schaffung von Wohnraum sowie die Versorgung und Integration der Flüchtlinge nach 1945.

Aber nicht nur im Gemeinderat setzte sich Paula Planck in diesen Jahren ein. Ihr lag auch die Bildung der Bürgerinnen und Bürger sehr am Herzen. So engagierte sie sich als Vorstandsmitglied der wieder gegründeten Arbeiterwohlfahrt auch für die Einrichtung einer Leihbücherei. Und so entstand zunächst 1947 die Bücherei der Arbeiterwohlfahrt, die Hildegard Ruoff im Rössle in der Metzinger Straße aufbaute. Und im gleichen Jahr konnte in den Erdgeschossräumen der Kreuzkirche eine Volksbücherei eingerichtet werden.

Paula Planck gehörte dem Gemeinderat bis 1948 an. Der aufreibende Einsatz als Gemeinderätin in diesen Nachkriegsjahren, die schwierige politische Lage und die Unsicherheit der weiteren Entwicklung setzten Paula Planck gesundheitlich sehr zu. Sie starb am 25. August 1953 in Nürtingen, 74 Jahre alt. Eine Krebserkrankung hatte ihr Engagement für die Kommunalpolitik schon 1951 beendet. Paula Planck wurde als eine große, stattliche Frau mit weißem Haar geschildert. Sie galt als sehr kontaktfreudig und stand hin, wenn es etwas durchzukämpfen gab – fast immer kämpfte sie für andere.

Was können wir von Paula Planck lernen, was nehmen wir mit?

Paula Planck war eine ganz besondere Frau. Sie war eine der Frauen, die lebenslang auch unter den schwierigsten Bedingungen ihren Grundsätzen treu blieben. Ihre Ansichten zu vielen Problemen sind auch heute noch ungewöhnlich aktuell, man könnte sie fast zeitlos nennen. Gerade als Frau empfand sie es als Verpflichtung sich für die Stadtgemeinschaft zu engagieren, sich in die Kommunalpolitik einzubringen, Demokratie mitzugestalten, Verantwortung zu übernehmen. Sie nutzte das Wahlrecht, kandidierte und hatte Erfolg. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Nürtingen verdanken Paula Planck viel.

 


Nachweise:

Die Grundlage der Ausführungen ist der Beitrag von Lore Blosser-Reisen, die im Rahmen der Frauengeschichtswerkstatt der vhs Nürtingen über Paula Planck geschrieben hat und deren Beitrag in dem Buch „Tagein- Tagaus – Mädchenbildung und Frauenarbeit in Nürtingen“ veröffentlicht worden ist. Der hier zitierte Absatz ist dort auf Seite 54 abgedruckt. Weiterhin das Buch „Das andere Nürtingen“, in dem von engagierten Sozialdemokraten zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD 1989 die Geschichte des Ortsverein dargestellt worden ist.

Der FrauenRat Nürtingen hat in Kooperation mit der SPD Nürtingen am 27. März 2019 an Paula Planck erinnert und eine neue Gedenktafel am Nürtinger Rathaus eingeweiht. 

Fotos Paula Planck: Privat

Foto Gedenktafel: Bärbel Kehl-Maurer

 

 


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