Kunigunde Fischer

Karlsruhe
1919 – 1933
1946-1959
SPD

Kunigunde Fischer (geb. Bachmeyer) wurde am 10. November 1882 in Speikern (Bayern) als Tochter von Johann und Barbara Bachmeyer geboren. Der Vater war Landwirt, Mühlen- und Sägewerksbesitzer, über die Mutter ist wenig bekannt. Von 1889 bis 1869 besuchte sie die Volksschule in Ottensoos. Nach der Schule arbeitete sie im Betrieb der Eltern mit, bis sie 1904 Kaspar Fischer heiratete.

Mit ihrem Ehemann, einem Buchdrucker und Schriftsetzer der sozialdemokratischen Zeitung „Der Volksfreund“, zog sie 1905 nach Karlsruhe in die Südstadt. Dort erlebte Kunigunde Fischer die sozialen Probleme der Arbeiter:innenschicht hautnah mit, was sie zum politischen Engagement anregte. So begann nach ihrer Heirat auch Fischers Mitarbeit in der SPD in Karlsruhe.

Mit der Einführung des Reichsvereinsgesetzes 1908 war es Frauen endlich erlaubt, politischen Parteien beizutreten. Ab 1909 begann die SPD, gezielt Frauen anzusprechen und anzuwerben. Fischer gehörte mit Else Rückert und Dora Trinks dem Vorstand der eigens neu gegründeten Frauensektion der SPD Karlsruhe an. Nicht zu vernachlässigen ist an dieser Stelle, dass diese drei allesamt die Ehepartnerinnen aktiver Sozialdemokraten oder Gewerkschafter waren. Kunigunde Fischer setzte sich vor allem für das Frauenstimmrecht, die Gleichberechtigung von Frauen in Politik, Gesellschaft und Ehe sowie für die Kinder- und Jugend-Tuberkulosefürsorge ein.

Im Juni 1912 fand die erste Badische Frauenkonferenz der SPD mit 26 Teilnehmerinnen – darunter fünf aus Karlsruhe – statt. Auf der Konferenz wurde beraten, wie Frauen für eine aktive Beteiligung an der Parteiarbeit gewonnen werden könnten. Besonderen Stellenwert in der Diskussion der Sozialdemokratinnen hatte das Frauenwahlrecht. Die Forderung nach dessen Einführung wurde auch von den männlichen Parteigenossen mitgetragen, war doch die SPD die erste Partei in Deutschland, die bereits in der Kaiserzeit die Demokratisierung des Wahlrechts und explizit das Wahlrecht für Frauen forderte. Auch beim ersten Internationalen Frauentag, dem 19. März 1911, stand das Frauenwahlrecht im Fokus der demonstrierenden sozialdemokratischen und sozialistischen Frauen.

Ab 1912 war Kunigunde Fischer in der Armen-, Gefangenen-, Säuglings-, Kinder- und Jugendfürsorge tätig, nachdem sie Mitglied im Armen- und Waisenrat der Stadt Karlsruhe geworden war. So konnte sie bereits vor der Einführung des Wahlrechts für Frauen an kommunalpolitischen Entscheidungen mitwirken. Von 1914 bis 1916 arbeitete sie außerdem beim städtischen Kriegsfürsorgeausschuss mit. Im Januar 1916 kam Kunigunde und Kaspar Fischers Tochter Anna zur Welt.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Ausrufung der Weimarer Republik wurde im November 1918 in Deutschland das aktive und passive Frauenwahlrecht eingeführt. Bei der Wahl zur verfassunggebenden Landesversammlung der Republik Baden konnten Frauen zum ersten Mal wählen und gewählt werden. Fischer ließ sich mit zwei weiteren Frauen für die SPD aufstellen und wurde am 5. Januar 1919 als eine von insgesamt 9 Frauen in die verfassunggebende Landesversammlung und von dort in den badischen Landtag gewählt. Ein Großteil der damals kandidierenden Frauen war bereits vor dem Ersten Weltkrieg in der Frauenbewegung politisch aktiv gewesen.

Auf der kommunalpolitischen Ebene wurde Fischer zudem 1919 als eine von insgesamt drei Frauen in die Karlsruher Stadtverordnetenversammlung gewählt, der sie bis zu deren Auflösung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 angehörte. Auch im Badischen Landtag war sie bis zur Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Jahr 1933 als Abgeordnete aktiv. In ihrer Zeit als Stadträtin legte Kunigunde Fischer unter anderem den Grundstein für die örtliche Kindererholung und wirkte 1921 im Ständehaus als Schriftführerin mit. Doch sie engagierte sich nicht nur in der parlamentarischen Politik. Gemeinsam mit anderen baute Fischer ab 1924 die Karlsruher Ortsgruppe der Arbeiterwohlfahrt (AWO) auf, deren Vorsitz sie von 1925 bis 1933 innehatte.

Bis zur Eskalation der Weltwirtschaftskrise Ende 1929 war die politische Lage in Baden, das fast durchgehend von einer „Weimarer Koalition“ bestehend aus der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der SPD und der katholischen Zentrumspartei, regiert wurde, relativ stabil. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten und der Reichstagswahl am 5. März 1933 wurde der badische Landtag neu zusammengesetzt. Am 18. März 1933 wurde Kunigunde Fischer gemeinsam mit allen badischen SPD- und KPD Landtagsabgeordnetenverhaftet und für vier Wochen in „Schutzhaft“ genommen. Im September 1933 wurde der badische Landtag aufgelöst. Die SPD- wie auch die KPD-Abgeordneten hatten aufgrund des Verbots ihrer Parteien schon zuvor ihre Mandate verloren.

„Von 1933 bis zur Besetzung Karlsruhes 1945 widmete ich mich meiner Familie und meinem Haushalt“, beschreibt Kunigunde Fischer später die Zeit ihres von den Nationalsozialisten erzwungenen Rückzugs aus der Politik. Nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 war auch Kunigunde Fischer von der darauffolgenden Verhaftungswelle betroffen und wurde nach einer ergebnislosen Hausdurchsuchung erneut vom 22. August bis zum 15. September 1944 inhaftiert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur nahm Fischer die politische Arbeit sofort wieder auf. Bereits Ende 1945 begann sie mit anderen Frauen den Wiederaufbau der Karlsruher AWO-Ortsgruppe und wurde 1946 deren zweite Vorsitzende. Sie war sich der Chance zur politischen Beteiligung, welche die Nachkriegssituation Frauen bot, bewusst und machte dies auf der ersten Frauenversammlung der SPD im März 1946 deutlich:

„Wir Frauen sind gegenwärtig bevölkerungsmäßig in der Mehrzahl und geben durch unser Wahlrecht im Wahljahr 1946 den Ausschlag, wie sich das Rad der Geschichte für die Zukunft drehen wird.“ (Kunigunde Fischer, 1946)

Bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen nach Kriegsende wurde Fischer 1946 mit Anna Walch (CDU) als eine von zwei Frauen erneut ins Karlsruher Stadtparlament gewählt. Zwar wollte Fischer Frauen thematisch nicht nur auf die Familie beschränken, sah sie aber trotzdem vor allem im Bereich des Sozialen verortet. Dies zeigt ihr Aufruf „als Frau und Mutter (…) als Erzieherin der Jugend“ in der jungen Demokratie mitzuarbeiten. Auch Fischer blieb in ‚klassisch weiblichen‘ Politikbereichen wie der Mitarbeit in den städtischen Sozialausschüssen zur Fürsorge-, Wohnungs- und Krankenhaussituation, tätig. Herausstechend ist ihre Mitarbeit im bis dato weitgehend männlich besetzten Finanzausschuss des Karlsruher Stadtrats ab 1958.

Bis 1959 blieb Kunigunde Fischer Mitglied im Karlsruher Stadtparlament und fokussierte sich dort auf die Beteiligung von Frauen in der politischen Arbeit und Verantwortung. Hierbei verfolgte sie eine sozialdemokratische Frauenpolitik und sah den Platz von Frauen an der Seite der Männer ihrer Schicht und nicht an der Seite aller Frauen – von überparteilichen Frauenorganisationen hielt sie deshalb nur wenig.

Zu ihrem 75. Geburtstag erhielt Kunigunde Fischer 1957 als eine der ersten Frauen in der Bundesrepublik das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen und wurde im Mai 1965 als erste Frau mit den Ehrenbürger:innenrechten der Stadt Karlsruhe ausgezeichnet. Bis 1993 sollte sie die einzige Ehrenbürgerin der badischen Metropole bleiben. Zu ihrer Ehrung wurde 1966 ein Altenheim, das Kunigunde-Fischer-Haus in Karlsruhe-Mühlburg, nach ihr benannt.

Am 21. Februar 1967 starb Kunigunde Fischer im Alter von 84 Jahren in Karlsruhe.

Anlässlich ihres 50. Todestags wurde 2017 der Kunigunde-Fischer-Weg in der Karlsruher Südstadt-Ost eingeweiht und erinnert seitdem an die wichtige (Kommunal)Politikerin.


Quellen:

Bildnachweis: Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe {231 Nr. 2937 (838)} Bild 1


Stadtarchiv Karlsruhe, Nachlass Kunigunde Fischer

Stadt Karlsruhe – Stadtarchiv (1992): Karlsruher Frauen 1715-1945, Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs. Bd. 15, Badenia Verlag GmbH, Karlsruhe.

Guttmann, Barbara (1997): Zwischen Trümmern und Träumen. Karlsruherinnen in Politik und Gesellschaft der Nachkriegszeit. Engelhardt und Bauer, Karlsruhe. S. 16-22.

https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0037 (Abruf: 18.12.24)

https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/das-leben-von-kunigunde-fischer-und-wie-das-stadtarchiv-karlsruhe-sich-um-ihre-nachlaesse-kuemmert-art-2870436 (Abruf: 18.12.24)

https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ereig-0212 (Abruf: 18.12.24)

 


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