Hanne Landgraf
Karlsruhe
1953-1968
SPD
Autor/in: Franziska Dunkel
Hanne Landgraf, geb. Siebert, geb. 1914 in Karlsruhe, verh. mit Rolf Landgraf, Sekretärin
Hanne Siebert wurde am 14. Oktober 1914 als erstes von insgesamt sechs Kindern des Schlossers Karl Siebert und seiner Frau Frieda geboren. Die Familie war in der sozialistischen Arbeiterbewegung verankert, und schon mit sechs Jahren war Hanne im Arbeitersport aktiv. Ab 1929 arbeitete sie als Schreibkraft bei der Eisenbahnergewerkschaft.
Unter dem Verbot und der Verfolgung der Arbeiterbewegung nach der nationalsozialistischen Machtübernahme litt die Familie Siebert schwer. Der Vater wurde mehrfach verhaftet, alle verloren ihre Arbeit und verarmten "bis auf die Knochen" (Erlebte Geschichte. S. 10). 1936 fand Hanne Siebert eine Anstellung als Sekretärin beim Dentaldepot Emil Huber. Im Juli 1942 heiratete sie Rolf Landgraf, der 1939 als Soldat eingezogen worden war und erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Ende Juli 1945 wurde Tochter Christiane geboren.
Seit Mai 1945 half Hanne Landgraf ehrenamtlich ihrem Vater, der zum Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Innenstadt-Ost ernannt worden war. "Es wurden KZ-Häftlinge und heimkehrende Soldaten betreut, Lebensmittelkarten ausgeteilt, Wohnungen vermittelt, Wohnungseinrichtungen und Kleider verteilt." (Blick in die Geschichte, S. 219) Bei der Wiedergründung der Arbeiterwohlfahrt in Karlsruhe 1946 übernahm ihr Vater den Vorsitz, Hanne Landgraf wurde Kassiererin. Neben anderen sozialen Aufgaben übernahm sie 1948 die Organisation der Kindererholung im Waldheim und wirkte in der von ihrem Vater und ihr wiedergegründeten FSSV als Kinderturnwartin. Nach 25 Jahren als Kassiererin übernahm sie 1971-1981 den Vorsitz der Karlsruher AWO und wurde dann Ehrenvorsitzende. Zudem war sie Mitglied im Bundes- und Landesausschuss der AWO.
1946 trat Landgraf in die SPD ein, obwohl sie eigentlich "nie daran gedacht [hatte], in die Politik zu gehen" (Zwischen Trümmern und Träumen, S. 69). Als AWO-Mitglied entsandte die Partei sie aber umgehend in den Jugendwohlfahrts- und den Schulausschuss. Zur Kandidatur für die Gemeinderatswahlen 1947 ließ sie sich nur ungern überreden und war nicht traurig darüber, dass sie mit dem Listenplatz 23 keine Chance hatte. "1953 konnte ich dann nicht mehr kneifen", erinnerte sie sich (ebd.). Sie wurde auf Anhieb gewählt und setzte sich vor allem für sozialpolitische Belange ein. So kämpfte sie um städtische Zuschüsse für Kindertagesstätten. Oberbürgermeister Günter Klotz meinte, die Kinder sollten lieber ihren Müttern am Rockzipfel hängen, statt in den Kindergarten "weggegeben" zu werden. Hanne Landgraf wies auf die sozialpädagogische Aufgabe der Kindertagesstätten hin und erreichte die Bezuschussung aller Wohlfahrtsorganisationen, die Kindergärten unterhielten. Dieser Erfolg bestärkte sie in ihrem politischen Engagement. 1956 wurde sie Mitglied im Kommunalpolitischen Ausschuss Baden-Württemberg der SPD. 1959 folgte sie ihrem Vorbild Kunigunde Fischer als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Karlsruhe. 1966 rückte Landgraf für den zum Ersten Bürgermeister gewählten Walther Wäldele in den Landtag ein. Sie musste deshalb 1968 den Sitz im Gemeinderat aufgeben, da ein SPD-Beschluss Doppelmandate verbot. Sie blieb bis 1976 teilweise als einzige Frau Mitglied des Landtags. Wie im Gemeinderat machte sie auch im Landtag die Jugend- und Altenhilfe, Sport sowie die Interessenvertretung für Behinderte zu ihren Arbeitsschwerpunkten. Sie übernahm außerdem Funktionen für das Müttergenesungswerk, den Verein Jugendschutz und Bewährungshilfe, war von 1954 bis 1969 Schöffin im Bezirksjugendgericht und wurde von zahlreichen Frauen- und Jugendorganisationen als Rednerin angefragt: "Ich hatte das Gefühl, das Betttuch an fünf Zipfeln zu halten", beschrieb sie ihre Arbeitsbelastung (Blick in die Geschichte, S. 221). Für ihr umfassendes gesellschaftspolitisches Engagement wurde sie vielfach ausgezeichnet, darunter mit der Marie-Juchacz-Plakette der AWO, dem Bundesverdienstkreuz erster und zweiter Klasse und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Hanne Landgraf starb 2005. Die nach ihr benannte Stiftung setzt sich für Karlsruher Kinder ein, die von Armut betroffen sind. Ganz in der Nähe des neuen Hanne-Landgraf-Platzes befindet sich der Sitz des Kreisverbandes der AWO Karlsruhe-Stadt.
Literatur
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0052 (abgerufen am 25.02.2021)
Hanne Landgraf, in: Erlebte Geschichte. Karlsruher Frauen berichten aus der Zeit des Nationalsozialismus. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF), Karlsruhe 1983, S. 5-16.
Hanne Landgraf, Stadträtin und Landtagsabgeordnete, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge 1989-1993, Karlsruhe 1994, S. 218-221.
Hanne Landgraf, in: Guttmann, Barbara: Zwischen Trümmern und Träumen. Karlsruherinnen in Politik und Gesellschaft der Nachkriegszeit, Karlsruhe 1997, S. 64-73, hier S. 69.
Nachweise
Foto: Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger A13/200/7/37
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