Erika Buchmann

Stuttgart
1946-1949 KPD

Erika Buchmann, geb.  Schollenbruch, geb. 1902 in München, verh. mit Albert Buchmann, Stenotypistin

Erika Buchmann geb. Schollenbruch wurde am 19. November 1902 in München geboren. Ihre Eltern waren der zunächst sozialdemokratische und später kommunistische Arzt Rudolf Schollenbruch und Maria Schollenbruch, ehemalige Schauspielerin am Hamburger Staatsschauspiel. Erikas Vater war nach seinem Wechsel von der SPD in die KPD während der Münchner Räterepublik im April 1919 kurzzeitig "Volksbeauftragter für Gesundheitswesen" und damit in der Funktion eines Ministers für das Gesundheitswesen.
Nach dem Besuch der Handelsschule arbeitete Erika als Stenotypistin in der Redaktion der sozialdemokratischen Zeitung "Kampf" und bei der "Neuen Zeitung" in München. Später war sie Sekretärin der bayerischen KPD-Landtagsfraktion. Schon in jungen Jahren begann Erika ihr politisches Engagement: 1918 wurde sie Mitglied der sozialistischen Jugendbewegung, ein Jahr später im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KVJD). 1920 trat sie in die KPD ein und somit in die Fußstapfen ihres Vaters.
Mehrmals in ihrem Leben wurde Erika Buchmann aufgrund ihrer Überzeugungen und den damit verbundenen Aktivitäten verfolgt und inhaftiert. Das erste Mal geschah das bereits im Jahr 1924, noch in der Weimarer Republik: Aufgrund kommunistischer Propaganda wurde sie zu einem Monat Haft verurteilt.
Ein Jahr später heirateten Erika Schollenbruch und Albert Buchmann, Reichstagsabgeordneter der KPD. 1932 zog die Familie mit der 1927 geborenen Tochter nach Stuttgart. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war Erika Buchmann als junge Mutter von 1933 bis 1935 illegal für die inzwischen verbotene KPD aktiv. Ihre Aufgabe bestand darin, den Kontakt zwischen den einzelnen Parteigruppen aufrecht zu erhalten.

Ende 1933 kam sie für mehrere Monate in sogenannte "Schutzhaft" - zunächst in Stuttgart und dann in der Frauenhaftanstalt Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd. Doch schnell fand sich Erika Buchmann erneut im Stuttgarter Gefängnis wieder: 1935 wurde sie wegen ihrer illegalen Tätigkeit für die KPD in Untersuchungshaft genommen. 1937 verurteilte sie das Oberlandesgericht Stuttgart wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu drei Jahren und sechs Monaten Haft im Zuchthaus Aichach in Bayern. Im Jahr 1939 wurde sie erneut verhaftet und zunächst ins Polizeigefängnis Stuttgart und anschließend ins Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg überführt. Dort musste sie als Sekretärin eines SS-Standortarztes arbeiten. 1940 wurde Erika Buchmann aus der KZ-Haft entlassen. Bereits 1942 wurde sie aber an ihrem Arbeitsplatz, einer Farbenfabrik in Stuttgart-Feuerbach, erneut verhaftet, da sie sich wieder für die KPD betätigte. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft in Stuttgart und im Zuchthaus Ludwigsburg wurde Erika Buchmann im Juni 1942 erneut in das Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen. Nun war sie im "Strafblock" des KZ als "Blockälteste" für die Vertretung der Häftlinge gegenüber der Lagerleitung zuständig, später nahm sie dieselbe Funktion im Tuberkulose-Block des Lagers ein. Kurz vor Ende des 2. Weltkriegs wird im April 1945 das KZ Ravensbrück geräumt, um zu verhindern, dass die Häftlinge den vorrückenden sowjetischen Truppen in die Hände fallen. Mit einem Großteil der Gefangenen wird auch Erika Buchmann in Fußmärschen Richtung Nordwesten getrieben. Ihr gelingt mit zwei Mitgefangenen die Flucht, auf der die Frauen durch sowjetische Soldaten befreit werden. Erika Buchmann kann so zu ihrer Familie nach Stuttgart zurückkehren. Insgesamt hat sie bis 1945 acht Jahre und fünf Monate in Haft verbracht.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft übernimmt Erika Buchmann die Leitung der Frauenarbeit in der westdeutschen KPD, wird aber auch in der Kommunalpolitik aktiv: Im Oktober 1945 entsendet die KPD sie mit fünf weiteren Genossen in den Stuttgarter Gemeinderat. Hier wird sie Mitglied in der Wohlfahrts- und Gesundheitsabteilung, den Vorläufern der heutigen Ausschüsse. Zwar ergreift Buchmann in den Ratssitzungen selten das Wort, engagiert sich aber stark in der Abteilungsarbeit. In der Wohlfahrtsabteilung kooperieren die mehrheitlich weiblichen Mitglieder über Parteigrenzen hinweg. Mit den Gemeinderätinnen Charlotte Armbruster (CDU) und Anna Haag (SPD) verfolgt Erika Buchmann gemeinsame Anliegen. Die amerikanische Besatzungsmacht soll etwa Heizmaterial bevorzugt an Familien mit Kindern abgeben. Diese Initiative ist genauso erfolgreich wie die Forderung der Rätinnen nach einem kostenlosen Schulfrühstück für besonders bedürftige Kinder. Da die Stadtverwaltung dies im ersten Nachkriegswinter weder finanziell noch logistisch bewältigen kann, schafft Erika Buchmann es, im Rahmen der Hilfsaktion "Rettet das Kind" die Unterstützung des Roten Kreuzes und der Schweizer Ärzteorganisation "Sanitaire Suisse" für die Umsetzung des Vorhabens zu gewinnen.

Bei den ersten regulären Kommunalwahlen 1946 und 1947 wird Erika Buchmann für die KPD in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt und gehört dem Gremium bis 1948 an. Ihr Engagement im Rat ist immer wieder unterbrochen - möglicherweise, da sie sich von einer Fehlgeburt im Jahr 1946 erholen musste und kurz darauf erneut schwanger wurde. Im März 1947 bringt Erika Buchmann im Alter von 44 Jahren ihre zweite Tochter zur Welt - für sie wohl auch ein ‚Beweis' dafür, dass die zwölf Jahre NS-Diktatur und ihre Haftzeit im KZ nicht alle Wünsche und Hoffnungen zerstören konnten. Im Herbst 1948 legt Erika Buchmann ihr Gemeinderatsmandat nieder, als Nachrücker folgt ihr der Schlosser und Betriebsrat Karl Hirsch.
Parallel zu ihrem Rückzug aus der Kommunalpolitik verstärkt Erika Buchmann ihren Einsatz für die Erinnerungsarbeit. Vor allem die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück liegt ihr am Herzen. 1946 veröffentlicht sie den Erinnerungsbericht "Frauen im Konzentrationslager" und engagiert sich in den neu entstehenden Verbänden ehemaliger KZ-Häftlinge. Zusammen mit 80 weiteren politisch Verfolgten fordert sie 1947, dass in Prozessen gegen KZ-Täter jeweils eine Vertretung der Häftlinge hinzugezogen wird. Im Rahmen des vierten Ravensbrück-Prozesses 1948 in Hamburg, bei dem gegen das medizinische Personal des Konzentrationslagers verhandelt wird, sagt Buchmann als Zeugin und deutsche Vertreterin des internationalen Ravensbrück-Komitees aus.

Nach der Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg wird Erika Buchmann, inzwischen einzige Frau im Sekretariat der KPD, 1952 in die Verfassunggebende Landesversammlung und anschließend in den ersten baden-württembergischen Landtag gewählt. Bis Mitte 1956 gehört sie dem Landesparlament an, wo sie als Einzelkämpferin gilt und wie ihre drei kommunistischen Parteikollegen zunehmend ausgegrenzt wird. Ermittlungen gegen ihren Ehemann aufgrund seiner Tätigkeit im Zentralrat der "Sozialistischen Aktion", eine Durchsuchung der Stuttgarter Wohnung mit Beschlagnahmung vieler Unterlagen und schließlich das drohende Verbot der KPD in der Bundesrepublik bringen Erika Buchmann und ihre jüngere Tochter im Sommer 1956 dazu, in die DDR zu übersiedeln, wo ihr Mann und die ältere Tochter schon längere Zeit leben. Obwohl zunächst als Übergangslösung gedacht, wird Elisabeth Buchmann ihr gesamtes verbleibendes Leben in der DDR verbringen.

Die überzeugte Kommunistin organisiert eine Ausstellung in der neu gegründeten Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und gibt 1961 die Publikation "Die Frauen von Ravensbrück" mit Porträts verschiedener inhaftierter Frauen heraus, die mehrfach neu aufgelegt wird.

Zusammen mit der Dramatikerin Hedda Zimmer konzipiert Erika Buchmann das Theaterstück "Die Ballade von Ravensbrück", eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Heldentum von Frauen in einem KZ. 1961 wird es an der Berliner Volksbühne uraufgeführt. Nicht zuletzt engagiert sich Buchmann in Organisationen von NS-Verfolgten und ist in der DDR, aber auch in der Sowjetunion als Zeitzeugin aktiv.

Die DDR-Führung zeichnet Erika Buchmann 1958 mit der "Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933-1945" und 1970 mit der Ehrennadel in Gold der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft aus. Nach dem Suizid ihrer jüngeren Tochter im Jahr 1970 verliert sie aber offenbar jeden Lebensmut. Am 20. November 1971 stirbt Erika Buchmann im Alter von 69 Jahren in Ost-Berlin.

Insgesamt hat Erika Buchmann in fünf verschiedenen politischen Systemen gelebt: dem Kaiserreich, der ersten deutscher Demokratie der Weimarer Republik, der nationalsozialistischen Diktatur, der jungen Bundesrepublik und schließlich in der DDR.

Quellen:

https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/download/5Za487uT09Toccsidjk8_Q__1609846554479/bestandExport.pdf (letzter Zugriff am 05.01.2021)

https://www.landtag-bw.de/contents/gedenkbuch/abgeordnete/VA_Buchmann%20(geb.%20Schollenbru~44.html  (letzter Zugriff am 23.03.2021)

https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/albert-buchmann (letzter Zugriff am 05.01.2021)

Buchmann, Erika (Hrsg.): Die Frauen von Ravensbrück. Berlin (DDR) 1961

Philipp, Grit: Erika Buchmann (1902–1971). Kommunistin, Politikerin, KZ-Überlebende. For-schungsbeiträge und Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Band 7. Berlin 2013

Blumenstock, Ute/ Skrzypek, Elisabeth: Erika Buchmann, in: Trümmerfrauen der Kommunalpolitik. Frauen im Stuttgarter Gemeinderat 1945-1960, hrsg. vom Stadtarchiv Stuttgart, Stuttgart 2013, S. 15-16. Als Download: https://service.stuttgart.de/img/mdb/publ/22090/84020.pdf, Seiten 15f. (letzter Zugriff am 23.03.2021)


Bild:
https://www.landtag-bw.de/contents/gedenkbuch/abgeordnete/VA_Buchmann%20(geb.%20Schollenbru~44.html


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