Dr. Christine Rudolf

Freiberg am Neckar
1984-1990
SPD

Warum sind Sie in die Politik gegangen? Gab es einen bestimmten Auslöser, ein politisches Ereignis?

Mit 16 Jahren besuchte ich Arbeitsgruppen der Umwelt- und Friedensbewegung. Ich bin in einem sehr politikinteressierten Elternhaus aufgewachsen. Nachrichten anschauen, Zeitung lesen waren für mich damals schon eine Selbstverständlichkeit. Die Umgebung in der ich lebe mit zu gestalten war für mich spannend. Vor allem weil ich die Schule als sehr gestaltungsarmen Ort erlebt habe.

Wie sind Sie in den Gemeinderat gekommen? Waren Sie bei einer Partei auf der Liste, wie oft haben Sie kandidiert oder wurden Sie beim ersten Mal gewählt?

Als Sprecherin der Juso AG in meinem Heimatort war ich verantwortlich für die Veranstaltung zur Verbesserung der Spielplätze. Als AG hatten wir eine Bilddokumentation erstellt und den Bürgermeister zu einer Veranstaltung eingeladen. Bei den kurz darauf stattfindenden Kommunalwahlen wurde ich von der SPD gefragt, ob ich Interesse hätte auf der Liste für den Gemeinderat zu kandidieren. Gerne erklärte ich mich dazu bereit.

Ich kandidierte auf Platz 13 auf einer Liste von 22 Personen und wurde gewählt.

Gab es Unterstützung bei Ihrem Weg in die Politik?

Es gab keine direkte Unterstützung, aber meine  Umgebung war insgesamt sehr förderlich. Die SPD hatte gerade die Quote beschlossen. Mein Elternhaus hat mich auf politische Prozesse vorbereitet und mein Freundeskreis war politisch sehr interessiert.

Wie haben Sie den Gemeinderat erlebt?

Im Gemeinderat selbst hatte ich dann große Probleme als junge Frau mit 19 Jahren ernst genommen zu werden. Es gab väterliche Belehrungen, es gab sexistische Anmache und es gab zum Glück Frauen in meiner Fraktion, die mich unterstützt haben.

Mit welchen Themen haben Sie sich beschäftigt? In welchen Ausschüssen saßen Sie?

Zunächst war ich im Sozialausschuss, später dann im technischen Ausschuss und im Verwaltungsausschuss im Kreistag.

Ich habe mich für Jugendliche in der Stadt eingesetzt, ich habe Möglichkeiten im öffentlichen Raum geschaffen um Informationen auszutauschen, die kein Geld kosten, das Internet gab es damals ja noch nicht. Ich habe mit dem Kämmerer der Stadt zusammen dafür gesorgt, dass eines der ersten Blockheizkraftwerke für die Versorgung des Stadtzentrums und Hallenbad bebaut wurde. Mit anderen zusammen die Erstellung einer Müllverbrennungsanlage verhindert und war maßgeblich daran beteiligt, dass der Kreis Ludwigsburg einer der wenigen Landkreise mit einem Landrat ohne CDU-Parteibuch war.

Was für politische Ziele haben Sie erreicht? Wie haben Sie Ihre Anliegen vertreten?

Ich habe im Laufe meiner kommunalpolitischen Arbeit gelernt, dass die Umsetzungsstrategien für unterschiedliche Themen sehr verschieden aussehen muss um erfolgreich zu sein. Die Aufstellung des Blockheizkraftwerkes habe ich dadurch erreicht, dass ich den Kämmerer von der Wirtschaftlichkeit dieser Maschine überzeugt habe, die Arbeit hat dann die Verwaltung erledigt. Für die Abstimmungen im Kreistag zur Wahl des Landrates waren verlässliche Absprachen mit anderen Fraktionen notwendig, die nur deshalb getragen haben, weil ich vorher schon stabile Gesprächsfäden aufgebaut hatte.

Die Verhinderung der Müllverbrennungsanlage war eine lange und anstrengende öffentliche Debatte. Hierzu waren öffentliche Informationsveranstaltungen, das Schreiben von Anträgen und innerparteiliche Auseinandersetzungen zu führen.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit im Gemeinderat erlebt?

Zunächst als sehr schwierig und frustrierend. Mit den Jahren als Ort, an dem ich auch Erfolg haben kann, dadurch, dass ich erst genommen wurde, dass ich Bündnisse schließen konnte.

Wo haben Sie sich Unterstützung geholt?

In der Regel in meinem persönlichen Umfeld.

Wie viele Frauen waren mit Ihnen im Gemeinderat? Wie viele Männer?

Von 22 Gemeinderäten waren in der ersten Legislaturperiode 3 Frauen, in der zweiten Legislaturperiode waren es 5 Frauen.

Hatten Sie als Frau eine Sonderrolle? Wurden Sie anders behandelt?

Es war die Kombination als 19 Jährige und Frau, die mir eine Sonderrolle verschafft hatte.

Warum sind so wenig Frauen im Gemeinderat?

Es gibt immer noch zu wenig ernsthafte Unterstützung für Frauen in öffentlichen Ämtern. Äußerlichkeiten stehen bei der Beurteilung von Frauen immer noch viel sehr im Vordergrund, aber vor allem ist die übliche Verteilung der Sorgearbeit in der Familie, die auf den Schultern von Frauen liegt, eine zeitliche Einschränkung.

Was hat Ihre Arbeit im Gemeinderat für Auswirkungen auf Ihr Privat-/Familienleben gehabt? Haben sich bspw. familiäre Aufgaben anders verteilt?

Da ich zu dieser Zeit allein stehend war, hat dieses Thema bei mir in der Zeit als Gemeinderätin keine Rolle gespielt.

Wie war die Kommunalpolitik mit Ihrem Beruf vereinbar?

Mit meinem Studium hat die Kommunalpolitik nur bei der Notwendigkeit Wohnortnah zu bleiben eine Rolle gespielt, ansonsten war es gut zu vereinbaren.

Gab es Unterstützung bzw. Verständnis für Ihr Engagement?

Ja, ich bin immer als politische Person wahrgenommen worden, deshalb hielten es viele für selbstverständlich, dass ich so etwas mache. Das ist im Nachhinein betrachtet eine große Unterstützung gewesen.

Was war Ihnen besonders wichtig an Ihrer Arbeit im Gemeinderat?

Das Leben von Frauen wird stark durch kommunalpolitische Entscheidungen geprägt. Die Öffnungszeiten von Kindergärten, das Angebot im öffentlichen Verkehr (Umfang, Preis, Wegeführung) hat Einfluss auf die Wahlmöglichkeit des Arbeitsplatzes. Frauen als Nutzerinnen von kostengünstigen Bildungsangeboten in Bibliotheken und Volkshochschulen brauchen ein Angebot, dass sie stärkt. Diesen Blickwinkel auf kommunale Entscheidungen wollte ich stärken.


Nachweise:

Foto: privat


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