Dr. Agnes Obenauer
Kehl
1952-1965
FDP
Autor/in: Cora Nieter
Agnes Obenauer geb. Blum wurde am 17. Oktober 1899 in Kehl am Rhein geboren. Sie entstammte einer in der Stadt bekannten Familie: Ihr Großvater, der Fabrikant Ludwig Trick, war Gründer der Kehler Zellstoff-Werke. Ihre Großmutter, die Ehrenbürgerin Agnes Trick, war Mitgründerin und langjährige Präsidentin des Frauenvereins in Kehl. Auch zwei ihrer Tanten, darunter Agnes Schmidt, waren im Frauenverein aktiv. Dieses familiäre Engagement prägte nach ihren eigenen Angaben ihr weiteres Leben und schuf das Bewusstsein für die Notwendigkeit, sich für soziale Belange einzusetzen.
Als Agnes drei Jahre alt war, zog die Familie nach Mannheim, wo sie ihre gesamte Schullaufbahn verbrachte und 1917 das Abitur ablegte. Im Anschluss studierte sie in Heidelberg und Berlin Volkswirtschaft und Musik – eine durchaus ungewöhnliche Fächerkombination. Im Jahr 1922 promovierte sie beim Heidelberger Soziologen Alfred Weber. Danach arbeitete sie in der Zellstofffabrik der Familie Trick in Kehl. Im Jahr 1924 heiratete Agnes Blum den Bankkaufmann und Mitgeschäftsführer der Trick-Zellstoff-Werke, Wolfgang Obenauer, mit dem sie vier Kinder bekam.
Im Jahr 1923 trat Agnes Obenauer in den Kehler Frauenverein ein, der ein Ableger des Badischen Frauenvereins war. Im Jahr 1930 wurde sie Vereinsvorsitzende. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Frauenverein mit der Sanitätskolonne zum Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes zusammen-geschlossen. Aus diesem Grund musste Agnes Obenauer die Arbeitsgebiete des Vereins ändern: Konzentrierte sich die Vereinstätigkeit bisher vor allem auf die Frauenarbeitsschule, Kinderschule und die Armenfürsorge, so bestand die neue Hauptaufgabe in der Ausbildung von Helferinnen und Helfern im Sanitätsdienst. Die früheren Aufgaben des Frauenvereins gingen an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt und die NS-Frauenschaft über. Agnes Obenauer agierte als Vorsitzende mit großem Einsatz und Geschick und konnte dabei trotz der durch die Nationalsozialisten forcierten Gleichschaltung des Vereins und der Abtretung früherer Aufgabengebiete Erfolge erringen. So schaffte sie es nach 1933 das ursprünglich für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt beschlagnahmte Rotkreuz-Haus in der Blumenstraße 7 in Kehl durch kluges Verhandeln für das DRK zurückzugewinnen.
Gegen Ende des zweiten Weltkriegs musste die Familie Obenauer 1944 wie die anderen Kehler Bürger:innen die Grenzstadt im Rahmen der Evakuierung räumen und insgesamt sieben Jahre als Flüchtlinge außerhalb der Stadt leben. Nach Kriegsende und der Besetzung der badischen Grenzregion durch französische Truppen verpflichtete erst 1949 das „Abkommen über eine Drei-Mächte-Kontrolle in Deutschland“ die französische Besatzung, die Stadt nach und nach wieder an die zivile Bevölkerung zurückzugeben. Diese Rückgabe dauerte bis 1953 an. Agnes Obenauer widmete sich in dieser Zeit dem Wiederaufbau des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der Stadt und im damaligen Landkreis Kehl.
Bei den Kommunalwahlen im Jahr 1952 kandidierte Agnes Obenauer auf der Liste der FDP und wurde als erste Frau überhaupt in den Kehler Gemeinderat gewählt. Sie übte ihr Mandat 13 Jahre lang bis 1965 aus. Neben den Stadtratssitzungen war sie auch in verschiedenen Ausschüssen tätig: Zu Beginn war sie in Kehl für das Wohnungswesen mitverantwortlich. Mit zwei anderen Mitarbeitern kümmerte sie sich um die von der französischen Besatzungsmacht freigegebenen Wohnungen und deren Wiedervermietung, wenn die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner keine Ansprüche erhoben. Die Vergabe dieser Wohnungen an die Wohnungssuchenden ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben.
Im Jahr 1958 realisierte Agnes Obenauer durch ihre Kontakte als Gemeinderätin und ehrenamtlich Aktive die erste Blutspende-Aktion des Deutschen Roten Kreuzes in Kehl. Diese Blutspende-Aktion, die nach wie vor durchgeführt wird, war damals die erste ihrer Art in ganz Südbaden.
Nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn war sie in der übergeordneten Organisation des Badischen Roten Kreuzes bis zu ihrem Tod aktiv.
Agnes Obenauer interessierte sich sehr für Musik, was bereits ihre Studienwahl gezeigt hatte, wie auch für Fotografie: Sie hielt zahlreiche Geschehnisse in Kehl und Umgebung mit Fotos und Filmen fest. Ihre so entstandene Sammlung umfasst circa 2.000 Fotos in 20 Bänden. Diese wurde später an das Stadtarchiv Kehl übergeben und bildeten die Grundlage für die Bildchronik der Stadt.
Für ihr großes Engagement wurde Agnes Obenauer am 2. April 1971 im Auftrag des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. In einem Dankesschreiben erklärte die engagierte Kehlerin, dass sie nun ihren freiwilligen Beitrag „für die guten Werke des Roten Kreuzes und für die Stadt Kehl“ geleistet habe. In der Arbeit mit Kindern, Müttern und alten Menschen habe sie ihre große Lebensberufung gesehen und, wie sie schrieb, ein „sinnvoll erfülltes Leben“ geführt.
Dr. Agnes Obenauer starb am 6. Juni 1982 im Alter von 82 Jahren in Baden-Baden.
Nachweise:
Stadtarchiv Kehl: B 10/20 Zeitgeschichtliche Sammlung; B 10/437 Zeitgeschichtliche Sammlung; B 10/896 Zeitgeschichtliche Sammlung
Gerstl, Michele (24.04.2018). Kehl: Südbadens Vorreiter bei der DRK-Blutspende. Baden online. https://www.bo.de/lokales/kehl/kehl-suedbadens-vorreiter-bei-der-drk-blutspende
Gras, Klaus (21.12.2016). Abriss und Neubeginn für das Agnes-Trick-Haus in Kehl. Baden online. https://www.bo.de/lokales/kehl/abriss-und-neubeginn-fuer-das-agnes-trick-haus-in-kehl
Merkenich, Stephanie/Morgenbrod, Birgitt. Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur: https://www.drk.de/fileadmin/user_upload/PDFs/Das_DRK/Geschichte/LiebnerP-Microsoft_Word_-_DRK-Vortrag_aktuell_online-Fassung.doc-94.PDF
Bild: DRK (Bestand Hollweck)
Cora Nieter
Juli 2024
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