Doris Odendahl

Böblingen, Sindelfingen
1971-1980 Böblingen
1980-1983 Sindelfingen
SPD

Als Doris Odendahl 1969 der SPD beitrat, ahnte sie noch nicht, dass sie einmal eine der prägenden bildungspolitischen Stimmen im Bundestag werden würde. Doch Odendahls politisches Engagement begann nicht erst mit dem Parteieintritt, sondern wurde bereits am heimischen Küchentisch geprägt. Als Tochter eines Schlossers in einem sozialdemokratischen Elternhaus erlebte sie schon früh, wie eng Bildungschancen und soziale Herkunft verknüpft sein können.

Doris Odendahl (geb. Robeller) wurde am 30. Juni 1933 in Stuttgart geboren, wuchs in einer Arbeiterfamilie auf und hatte das Glück, das Gymnasium besuchen zu dürfen – eine seltene Möglichkeit für ein Arbeiterkind jener Zeit. Doch der frühe Tod ihres Vaters 1947 änderte alles: Ohne dessen Unterstützung konnte ihre Mutter das Schulgeld nicht mehr aufbringen und Doris musste die Schule verlassen. Der Traum vom Studium zerplatzte – eine Erfahrung, die ihr späteres politisches Engagement für Chancengleichheit prägen sollte. So setzte sie sich in ihrem politischen Wirken stark dafür ein, dass Bildungschancen unabhängig von der sozialen Herkunft jedem und jeder offenstehen sollten.

Nach ihrem Abgang vom Gymnasium begann die vierzehnjährige Doris Robeller eine Ausbildung zur Kauffrau. Anschließend arbeitete sie als Sachbearbeiterin mit Schwerpunkt Verkauf, Personal- und Rechnungswesen – eine Tätigkeit, die sie auch mehrfach ins Ausland führte. Doris Robeller heiratete recht jung Hans Odendahl und bekam 1953, kurz nach der Eheschließung, ihre Tochter Anke. 1967 bis 1981 machte sie sich im Textileinzelhandel selbstständig und leitete in Sindelfingen ein eigenes Textil- und Modegeschäft für Damenoberbekleidung. Parallel qualifizierte sie sich über Management-Trainings weiter.

Während ihrer Zeit als Selbstständige beginnt Odendahl ihr politisches Engagement. Ihre Tochter hatte ihr geraten, nicht nur über Politik zu ‚meckern‘, sondern einfach selbst politisch aktiv zu werden. So tritt Odendahl 1969 der SPD bei und wird bereits zwei Jahre später, 1971, in den Böblinger Gemeinderat gewählt, dem sie neun Jahre angehört. Von 1980 bis 1983 ist sie gewähltes Mitglied im Stadtrat der Böblinger Nachbarstadt Sindelfingen. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Stadträtin ist sie im Landesvorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) aktiv.

Schon zu Beginn ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit macht Doris Odendahl sich mit ihrem unverwechselbaren Kampfgeist sowie ihrer bissigen Rhetorik und Schlagfertigkeit einen Ruf. Sie wird als leidenschaftliche Sozialdemokratin beschrieben, die sich durch Engagement, Hartnäckigkeit und Zielgerichtetheit auszeichnet. Auch ihre Familie schildert sie als eine starke Persönlichkeit, die immer ihren eigenen Kopf hatte.

1981 nimmt Doris Odendahl die Tätigkeit als Sachbearbeiterin für Organisation in einem Wirtschaftsberatungsinstitut auf. Im gleichen Jahr wird sie zur Vorsitzenden des SPD-Kreisverbandes Böblingen gewählt, eine Position, die sie bis 1989 innehat. Nach der aktiven Zeit im SPD-Kreisvorstand engagiert sie sich im SPD-Landesvorstand Baden-Württemberg. 1983 wird sie über die baden-württembergische Landesliste in den Bundestag gewählt. Dort ist sie vier Wahlperioden lang Abgeordnete. Von 1988 bis 1994 ist Odendahl bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion und übernimmt 1996 den Vorsitz des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung.

Odendahls politisches Wirken war stark auf soziale und bildungspolitische Reformen ausgerichtet, stets mit einem Fokus auf Gerechtigkeit und Teilhabe für benachteiligte Gruppen. Schon zu ihrer Zeit als Kommunalpolitikerin kämpfte sie für Chancengerechtigkeit und Bildungsmöglichkeiten für Frauen – Themen, denen sie sich auch im Bundestag widmet. Sie setzt sich für Frauenförderung in Bildung und Beruf ein und macht sich für mehr Ausbildungsplätze für Frauen und Mädchen sowie für deren Förderung im Hochschulbereich stark. Soziale Gerechtigkeit in der Bildungspolitik sowie verbesserte Ausbildungsbedingungen und ein (geschlechter)gerechter Zugang zu Hochschulen sind weitere Arbeitsschwerpunkte der Bundestagsabgeordneten.

Odendahl war stets viel beschäftigt, sie brauchte den ‚Umtrieb‘, was sich auch an ihrem politischen Engagement zeigte. Zeitweise pendelte sie zwischen dem Bundestag in Bonn und der Parteipolitik im SPD-Kreisverband Böblingen und später dem SPD-Landesvorstand in Stuttgart. Ihr Einsatz für soziale Gerechtigkeit war nicht nur parteipolitisch geprägt, sondern vermittelte sich auch durch ihre Mitgliedschaft in Verbänden und Gewerkschaft wie der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der ÖTV und später Verdi.

Nach knapp 30 Jahren aktiver Politik verzichtet Doris Odendahl 1998 auf eine weitere Kandidatur bei den Bundestagwahlen und verabschiedet sich mit 65 Jahren in den Ruhestand. Diesen beginnt sie mit den Worten: „Ich werde zwar weiterhin viel auf Achse sein, nur kann ich jetzt selbst über mein Zeitkonto verfügen.“

Doch ruhig wird Odendahls Leben keineswegs, denn nach dem Rückzug aus Bundestag und Politik nimmt sie die nächsten Projekte in den Angriff. Sie will sich wieder mehr mit Kunst auseinandersetzen, ins Theater und auf Konzerte gehen und reisen. Auch ehrenamtlich engagiert sie sich weiter: 1997 wird Doris Odendahl zur Vorsitzenden des Deutschen Volkshochschulverbandes gewählt und hat diese Funktion bis 2002 inne. Damit bleibt sie ihrem bildungspolitischen Arbeitsschwerpunkt treu und engagiert sich auch im Ruhestand weiter für Chancengerechtigkeit:

„In meiner Zeit als Abgeordnete habe ich darum gekämpft, dass Chancengleichheit in der Bildung erreicht und erhalten wird. Nun möchte ich darum kämpfen, dass das Recht auf Weiterbildung für alle Menschen in der Gesellschaft verankert wird.“

Doris Odendahl stirbt am 13. Juni 2013 im Alter von knapp 80 Jahren in Sindelfingen.

Autorin: Sarah Schüle

Bildnachweis: Deutscher Bundestag / Foto- und Bildstelle


Literatur:

Deutscher Bundestag (1994): Abgeordnete, Doris Odendahl, [online] MdB-Biographien der 13. Wahlperiode / Biographie des MdB Doris Odendahl, SPD (Zugriff am: 14.11.2024).

Hochreuther, Ina (2002): Frauen im Parlament. Südwestdeutsche Parlamentarierinnen von 1919 bis heute, 2. Aufl., Stuttgart: Landtag von Baden-Württemberg.

Deutscher Volkshochschulverband (2013): Nachruf Doris Odendahl, Arbeit und Leben DGB/VHS. Verfügbar unter: https://arbeitundleben.de/images/meldungen/dateien_upload/Nachruf_Doris_Odendahl.pdf (Zugriff am: 14.11.2024).

Kreiszeitung Böblinger Bote (2013): Traueranzeige Doris Odendahl, Kreiszeitung Böblinger Bote, 22.06.2013, Böblingen: Stadtarchiv.

Stuttgarter Zeitung (2013): Traueranzeige Dors Odendahl, Stuttgarter Zeitung, 21.06.2013, Verfügbar unter: Traueranzeigen von Doris Odendahl | stuttgart-gedenkt.de (Zugriff am 14.11.2024).

Schäfer, Helmut (1998): Das Zeitkonto selbst bestimmen, in: Pressespiegel Stadt Böblingen, 29.06.1998, S. 4.


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