Birgit Sütterlin

Ihringen
Seit 2014
Grüne

Seit 2014 sitzt Birgit Sütterlin in Ihringen (6000 Einwohner*innen) am Kaiserstuhl im Gemeinderat. Dabei war sie schon 2004 von der Grünen Liste gefragt worden, ob sie nicht kandidieren wolle. Damals lehnte sie noch ab, 2009 kandidierte sie, verpasste den Einzug in den Gemeinderat aber um 10 Stimmen. 2014 wollte sie auf Nummer sicher gehen und kam auf einem der vorderen Listenplätze sicher ins Gremium. 2019 wurde sie wiedergewählt. Nicht nur das: die Grünen haben seit der letzten Wahlperiode einen Sitz mehr. Sie sind mit sechs Sitzen (davon vier Frauen) im Gemeinderat vertreten, was bei einer Gesamtzahl von 20 Sitzen immerhin 30% ausmacht. Die SPD-Fraktion hat ebenfalls sechs Sitze (zwei Frauen), die CDU acht (zwei Frauen). Sowohl die Frauenquote, als auch der Erfolg der Grünen ist für ein kleines, eher konservativ geprägtes Dorf wie Ihringen eher ungewöhnlich.

Sütterlin kommt aus Ihringen und lebt, mit einer Unterbrechung, seit über 20 Jahren wieder im Ort. Sie mag die Dorfgemeinschaft und das Vereinsleben, weshalb sie sich nach ihrer Rückkehr ins Dorf engagiert: Im Turnverein, im Kindergarten, im Elternbeirat. Neben diesem gemeinschaftlichen Engagement bestimmen „grüne“ Themen ihre Interessen: Sie arbeitet im Naturzentrum Kaiserstuhl in Ihringen, engagiert sich für Umweltschutz und Klimapolitik. Diese Themen sind auch ausschlaggebend für ihre Entscheidung, sich in der Politik zu engagieren, denn, so Sütterlin, Klimaschutz beginnt im Kleinen, in der Kommune.

Das erste Thema, das Sütterlin im Gemeinderat mit ihrer Fraktion angeht, ist die Umrüstung auf LED. Sie lernt das zähe Ringen kennen, wie frustrierend es ist, Gegenwind auszuhalten, obwohl man doch sachlich richtige Argumente hat. Die Straßenbeleuchtung ist inzwischen auf LED umgerüstet, die Beleuchtung der öffentlichen Gebäude leider nicht. Bis die Kommune für diese Diskussion bereit war, gab es keine Fördermittel mehr und damit war dieser Schritt nicht finanzierbar.

Ihr aktuelles Thema ist die Begrünung: Die um sich greifende Versiegelung des Bodens ist ein Problem. Außerdem finden Insekten ohne richtige Bepflanzung keine Nahrung mehr. Sütterlin will, dass die Kommune mit gutem Beispiel vorangeht: öffentliche Flächen sollen mit Wildblumenwiesen bepflanzt werden, Schottergärten sollen verboten werden. Tatsächlich hat die Bauordnung der Gemeinde Vorgaben zur Begrünung, deren Einhaltung aber nicht kontrolliert wird. Gefällte Bäume müssen nach gepflanzt werden, außerdem müssen Bauherren bei einer gewissen Grundstücksgröße Bäume pflanzen. Sütterlin drängt mit Anträgen auf schärfere Kontrollen, denn auch im Dorf steigt das Mikroklima.

 „Natur liegt mir am Herzen und der Kaiserstuhl ist so etwas Besonderes. Und wenn ich sehe, was manche Landschaftsgärtner verbrechen… das ist dann eine grüne Wüste, die zwar den Boden nicht versiegelt, aber ansonsten auch nichts bringt.“

Sütterlin erarbeitete im Naturzentrum ein Merkblatt mit Tipps für einen tierfreundlichen Hausgarten mit heimischen Pflanzen, das über die lokale Zeitung auch veröffentlicht wurde. Das Interesse ist da: Viele Bürger*innen kommen auf sie zu und bitten um Rat, wie sie ihre Flächen umwelt- und insektenfreundlich bepflanzen können. Allerdings stößt das auch auf Widerstand: Verkehrsinseln, die auf ihren Antrag entschottert und umweltfreundlich bepflanzt werden, sehen weniger präsentabel aus wie konventionell bepflanzte Flächen und Sütterlin muss auch dafür Gegenwind der Ratskolleg*innen „Die Grünen wieder mit dem Zeigefinger!“ oder Zuhörer*innen aushalten: „Frau Blumenwiese!“.

Mit solchen Dingen muss man umgehen lernen, sagt Sütterlin. Auch den Frust ertragen, wenn man mit seinen Ideen nicht durchkommt, obwohl man sachlich sauber argumentiert. Wenn Anträge so lange liegen bleiben, bis Fördertöpfe leer sind. Wenn bei öffentlichen Sitzungen im Hintergrund geredet wird, oder halt auch direkt im Dorf. Wenn der eigene Vater anzweifelt, ob denn das mit den Frauen in der Politik wirklich seine Richtigkeit hat? Sütterlin profitiert auch von einem Coaching speziell für Frauen in der Politik „Heute stehe ich im Mittelpunkt“, das vom Landratsamt (Führungsakademie Ba-Wü - study & train GmbH) 2018 angeboten wurde. Auch der Landfrauenverband Südbaden bietet jährlich Seminare für Kommunalpolitikerinnen an, die Sütterlin besucht hat. Und grundsätzlich, betont sie, sei die Zusammenarbeit im Gemeinderat gut, man zieht ja an einem gemeinsamen Strang. Nur bei Umweltthemen ist das Konfliktpotential immer hoch.

Erfolg hat sie bei den Schottergärten: Im Januar 2019 beantragt sie im Namen der Fraktion, ein Verbot von Schottergärten in die Bauordnung der Gemeinde aufzunehmen – erfolgreich. Die Bauordnung wird im Frühjahr 2019 angepasst. Und die Gemeinde Stück für Stück entschottert.

Kann man denn mit klimapolitischen Themen in der Kommunalpolitik etwas bewirken? Für Sütterlin ist die Antwort einfach und eindeutig: Ja. An der Basis muss man anfangen und die Leute mitnehmen, der Klimaschutzpakt des Landes muss vor Ort umgesetzt werden, die Unterschrift alleine nützt nichts.

Durch ihre Arbeit hat sie eine gewisse Expertise, die sie in ihre politische Arbeit einbringt. Sie beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit den Themen, die jetzt vermehrt in die allgemeine Aufmerksamkeit rücken. Auch durch Fridays for Future, die es in Ihringen selbst nicht gibt. Aus diesem Engagement heraus ergeben sich Sütterlins politische Themen: Umwelt, Soziales, Geflüchtete. Das Dorf soll lebenswert bleiben, der soziale Zusammenhalt gestärkt.

So setzt sie sich im Moment dafür ein, dass in Ihringen Mitfahrbänkle eingerichtet werden. Auf denen sollen Bürger*innen, die in die benachbarten Ortschaften müssen aber kein Auto haben, auf Mitfahrgelegenheiten warten können. Wer sich für solche Fahrdienste bereit erklärt, muss sich bei der Kommune registrieren lassen. Das Modell gibt es auch in anderen Kommunen und schafft da Abhilfe, wo der ÖPNV nicht ausreicht. Gerade auf dem Land sind Menschen sehr auf ihr Auto angewiesen und wer nicht oder nicht mehr fährt, muss sich mit einem eingeschränkten Bewegungsradius abfinden. Und durch das Mitfahrangebot bleibt vielleicht mal öfters ein Auto stehen.


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