Anna Grün

Esslingen
1919-1931
Württembergische Bürgerpartei

»Unter den vielen Aufgaben, die auf dem Rathaus zu lösen sind, gibt es nicht ganz wenige, für die die Frau viel, vielleicht auch mehr Verständnis hat als der Mann ...« (aus einer Wahlrede Anna Grüns 1931)

Anna Grün wird 1865 in Gerabronn geboren und erhält auf dem elterlichen Gutshof Privatunterricht. Mit 25 Jahren heiratet sie Anastasius Grün, der bereits 1897 stirbt. Kurz darauf zieht sie nach Esslingen, um ihren beiden Söhnen eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Bald ist sie dort vielfältig in leitender Funktion aktiv, z. B. im Wöchnerinnen- und Hauspflegeverein.

Ab 1913 organisiert sie als Vorsitzende des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes Treffen für Frauen, die als Ziel die Ausbildung junger Mädchen haben. Anna Grün berät die Mädchen über ihre Bildungsmöglichkeiten. Während des Ersten Weltkriegs organisiert sie Näh- und Flickkurse und die Verteilung der Kleidersammlungen für Bedürftige. Sie engagiert sich für die Flickwerkstätte, bei der bis zu 88 Frauen beschäftigt sind. Sie wird zu einer sehr beliebten Frau mit hohem Bekanntheitsgrad.

1918 ist sie aktiv im Verein für Frauenstimmrecht und wird 1919 als einzige von 16 Kandidatinnen für die konservative Württembergische Bürgerpartei in den Gemeinderat gewählt. Zu den Bereichen, für die sie sich im Gemeinderat engagiert, gehören u.a. das Wöchnerinnen- und Säuglingsheim, die Milchversorgung, Zuckerverteilung, Mütterberatungsstelle, Frauenarbeitsschule, aber auch die Einrichtung einer Unterkunftsstätte für obdachlose Mädchen. Soziale Belange stehen bei ihr im Vordergrund und diese Schwerpunkte ihrer Arbeit werden von den männlichen Kollegen aller Parteien im Gemeinderat akzeptiert. So wird z. B. 1919 eine Verhandlung über die Errichtung eines Wöchnerinnenwohnheims vertagt, weil Anna Grün verhindert ist. Mit Unterbrechungen bleibt sie bis 1931 Gemeinderätin – erst 1951 soll wieder eine Frau in den Gemeinderat gewählt werden.

Die Parteien erwarten von ihren Gemeinderätinnen, dass sie sich um soziale Belange kümmern. Besonders geeignet sehen sie Themen wie Armen- und Waisenpflege, das Schulwesen und den Mutter- und Kinderschutz. Zitat der im Verein für Frauenwahlrecht aktiven Lena Mayer-Benz: »Frauenart sei: Helfen wollen – Helfen müssen«. Damit ist die Gleichstellung der Frau in der Politik nur ansatzweise erfolgt. Die klassische Arbeitsteilung und tradierte Rollenbilder in Gesellschaft und Familie werden nicht hinterfragt.

Kommentar der Eßlinger Zeitung vom 14.05.1919 zur Wahl Anna Grüns als einzige der 16 Kandidatinnen: »Man kann daraus schließen, dass die meisten Wählerinnen keinen besonderen Nachdruck darauf legen, durch eine Geschlechtsgenossin im Rat der Stadt vertreten zu sein. Sie sind wohl auch in die Geheimnisse des Kumulierens noch nicht tief genug eingedrungen oder finden es ganz in Ordnung, daß auch künftig Männer die Verantwortung für das Wohl und Wehe der Stadt tragen«.


Dieser Text erschien zuerst in: Barbara Straub (Hrsg.): WeiblichES Wählen & Wissen. 100 Jahre Frauenwahlrecht. 100 Jahre Volkshochschule, Esslingen, 2019.

Foto: Privat


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