Amalie Tonoli
Offenburg
1919-1933
Zentrum
Autor/in: Ute Scherb
Amalie Tonoli (1883-1974)
„Eine Zelle der schwarzen Agitation“
Fällt in der Ortenau der Name „Tonoli“, so denken viele sofort an den gleichnamigen Senf. Nur wenigen dürfte hingegen heute noch die Volksschullehrerin Amalie Tonoli ein Begriff sein, die aus derselben Familie stammte. Sie wurde am 9. November 1883 zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Johanna als Tochter des Kaufmanns Johann Tonoli und seiner Frau Edmunde in Offenburg geboren. Die Großeltern waren zu Beginn des Jahrhunderts aus Italien in die Kinzigstadt ausgewandert.
Amalie Anna Tonoli erhielt die damals für Mädchen höchstmögliche Schulbildung: Nach drei Jahren Volksschule besuchte sie sieben Jahre lang die Höhere Mädchenschule und ließ sich anschließend in der „Lehr- und Erziehungsanstalt“ des Klosters Unserer Lieben Frau zur Lehrerin ausbilden. Nachdem sie drei Jahre lang in Malsch und in Durbach unterrichtet hatte, kehrte sie zum 1. November 1906 nach Offenburg zurück, wo sie ihren Dienst als Unterlehrerin in der Mädchenabteilung der Volksschule aufnahm. Als sie dreieinhalb Jahre später zur Hauptlehrerin befördert wurde, hatte sie die für eine Frau höchste Stufe der Karriereleiter erreicht. Dies sollte sie 1925 in aller Deutlichkeit zu spüren bekommen, als sie sich für eine frei gewordene Oberlehrerstelle bewarb, jedoch nicht berücksichtigt wurde, obwohl ihre Zensuren und Beurteilungen deutlich besser waren als die des künftigen Stelleninhabers.
Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass die engagierte Katholikin Amalie Tonoli kurz darauf den Vorsitz des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen für den Bezirk Offenburg übernahm, wo sie sich seit fast 20 Jahren als Mitglied und als Kassiererin engagiert hatte. In dieser Funktion achtete sie genauestens auf Diskriminierungstendenzen und scheute sich nicht, gegen diese anzugehen. So sah sie sich im Februar 1926 veranlasst, massiv gegen den Stadtratsbeschluss Einspruch zu erheben, „einen hiesigen Unterlehrer als Hauptlehrer für eine freigewordene Lehrerinnenstelle vorzuschlagen“. Selbst ihre Mitgliedschaft in der städtischen Schulkommission hatte die Entscheidung nicht verhindern können.
Seit 1919, der ersten Kommunalwahl nach Einführung des aktiven wie passiven Wahlrechts für Frauen, saß Amalie Tonoli für das Zentrum im städtischen Bürgerausschuss. Hier ergriff sie immer dann das Wort, wenn es um die städtische Schulpolitik oder den Schutz der Jugend ging, und es verwundert nicht weiter, dass der Stadtrat sie auch in seine Kommission für Armenwesen und Jugendfürsorge berief. Vor allem aber engagierte sie sich parteipolitisch, denn sie „war bis zur Machtübernahme des Nationalsozialismus (...) Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Zentrumspartei Offenburg. Sie beteiligte sich viele Jahre hindurch eifrig an der Wahlagitation und hielt als Rednerin zahlreiche Versammlungen im Kreis Offenburg (...) ab“, wie Justizrat Kuner Anfang November 1945 bescheinigte.
All diese Aktivitäten endeten abrupt mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten, die sie seit 1930 auf das Entschiedenste bekämpft hatte. Selbstverständlich war ihr mutiges Engagement den neuen Herren ein Dorn im Auge, denn denen war völlig klar, dass eine katholische Lehrerin, die sich weigerte, den rechten Arm zum „Hitlergruß“ zu heben und ihre Schützlinge das Horst-Wessel-Lied singen zu lassen, ihren Unterricht auch in Zukunft nach christlichen Grundsätzen gestalten würde. Amalie Tonoli wurde bespitzelt und in der Presse verleumdet. Schließlich versetzte man sie zwangsweise nach Haßmersheim bei Mosbach – in ein Bauerndorf, das, wie sie es selbst nach dem Krieg bezeichnete, „von der nationalsozialistischen Doktrin durchdrungen“ gewesen sei.
Nach Kriegsende konnte sie an ihrer alten Wirkungsstätte in Offenburg den Dienst wieder aufnehmen. Im September 1949 wurde sie in den Ruhestand versetzt. Auch jetzt lehnte sie sich nicht zurück, sondern engagierte sich noch viele Jahre in der katholischen Gemeinde und im Missionswerk „St. -Petrus-Claver-Sodalität“, vor allem aber in der Fürsorge, wo sie unzählige Kranke und Notleidende persönlich betreute.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Amalie Tonoli im Altenheim des Marienhauses, wo sie am 24. September 1974 starb.
Nachweise
Dieser Beitrag wurde von der Frauengeschichtswerkstatt Offenburg erarbeitet und zuerst veröffentlicht in Jansen-Degott, Ruth; Junk, Anne (Hrsg.): Markante Frauen. Sonderserie Offenburg. Offenburg 2006
Fotos: Privat
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